Pater Abraham Sireu, von dessen Priesterweihe in kontinente 1/2017 berichtet wurde, lernt inzwischen Deutsch in Österreich. In Graz sprach er mit Pater Altenburger über seinen Weg, der ihn zum ersten Priester aus dem Volk der Pokot macht:                                                                                                                                                                                                                                                                                Ich heiße Abraham Sireu und bin der Sohn von Isaiah Ang´irotum und Francesca Chesakit aus dem Volk der Pokot,  einem Halbnomadenvolk, denen es vor allem darauf ankommt, möglichst viele Kühe zu besitzen. Ich bin am 25. November 1982 geboren. Das war in einer Zeit großer Kämpfe zwischen meinem Volk und den Karimojong, einem Nachbarvolk in Uganda.

 

Kirche in Amakuriat, Kenia

Meine Berufung
Zu dieser Zeit kamen die Comboni-Missionare in meine Heimat Amakuriat. Sie errichteten eine kleine Kirche, die der Mutter Gottes „Maria des Friedens“ geweiht wurde. Die Missionare eröffneten eine Schule und setzten meine Eltern als Helfer ein. Ich war einer der ersten, der in dieser kleinen Kirche getauft wurde.
Die Geschichte meiner Berufung ist eng verbunden mit den Comboni-Missionaren und -Schwestern. Ihre große Hingabe für unsere Menschen kann ich kaum beschreiben! Von Anfang an setzten sie Schwerpunkte im Bereich des Gesundheitswesens, im Schulwesen, in der Erziehung der Kinder und Jugendlichen und in der Verkündigung der Frohen Botschaft.
Ich erinnere mich an Schwester Juliana. Es war zu einer Zeit, als es meiner Familie nicht gut ging. Meine ältere Schwester verstarb an zerebraler Malaria und meine jüngere Schwester war mit derselben Krankheit auch dem Tod nahe. Da erlebte ich diese Schwester als gute Samariterin. Sie brachte meine Schwester für drei Wochen in ihren Konvent, bis sie wieder gesund war. Diese Erfahrung hat mich so berührt, dass ich diesen Ruf zu den Ärmsten zu meinem machte. Und dann stellte ich mir Fragen, was wohl meine Aufgabe in dieser Welt sei. Die Fremden in meinem Land, die sich so für die anderen herschenkten, haben in mir die Sehnsucht geweckt, auch aufzubrechen.

Bruder Friedbert Tremmel mit Pokot-Kindern

Bruder Friedbert Tremmel
Dann war da eine andere Begegnung. Es war am 17. November 2002. Ich hatte gerade die Secondary Schule beendet, als mich der deutsche Comboni-Missionar Bruder  Friedbert Tremmel fragte, was ich denn jetzt machen wolle. Ich antwortete ganz spontan: Ich möchte Priester werden. Als er das hörte, setzte er sich schweigend hin. Dann gab er mir eine Einladung zu einem Einkehrtag in Kitale in die Hand, bei dem über die Berufung zum Priestertum gesprochen wurde. Das war die Antwort Gottes auf meine Fragen. Das war kein Zufall, sondern Vorsehung. Nach diesem Besinnungstag war mir klar, was es bedeutet, Priester zu werden. Dieser Tag war mir auch Bestätigung, dass ich Comboni-Missionar werden will.
Ich habe noch nicht erzählt, wie meine Eltern darauf reagierten: Als sie meine guten Abschlussnoten sahen, wollten sie, dass ich auf die Universität gehe. Aber ich habe meine Meinung nicht geändert und blieb in Kontakt mit den  Comboni-Missionaren.

Erste Erfahrungen
Die erste Erfahrung auf diesem Weg war eine „Feuertaufe“. Ich war in Korogocho, einer Vorstadt (Elendsviertel) von Nairobi. Das war eine Herausforderung! Mit ausgegrenzten, kriminellen Jugendlichen! Da hätte ich fast das Handtuch geworfen! Aber ich hab die Botschaft verstanden: „Nimm dein Kreuz und folge mir!“
2005 begann ich die erste Phase meiner Ausbildung in Nairobi. Ich vergleiche diese Zeit mit einem Geschenkpaket. Du wirst eingeladen, es zu öffnen und zu sehen, was es enthält. Anfangs setzt man ein widerspenstiges Gesicht auf, dann aber sieht man die Schönheit, die es enthält, und dann möchte man es allen weiterschenken.
Es gab Schwierigkeiten, ich war mit Mitbrüdern aus der ganzen Welt zusammen, manchmal mit sehr schwierigen Charakteren. Trotzdem: es war eine Zeit, in der ich mich tiefer kennenlernte und weiter reifte.
Die zweite Etappe meiner Ausbildung fand im Noviziat in Namugongo, in Uganda, statt. Es ist eine Zeit, um hineinzuwachsen in das Vertrauen in Gott. Der Ort des Noviziates hilft dazu:  Die Nähe zum Heiligtum der Märtyrer von Uganda. Am Ende dieser Zeit, am 1. Mai 2010, habe ich in Gegenwart meiner Eltern und vieler Freunde im Heiligtum der Märtyrer die ersten Gelübde abgelegt.
Dann ging es nach Peru, wo ich meine theologischen Studien und den Pastoraleinsatz absolvierte: Eine andere Kultur, ein neuer Blick auf den Glauben, geprägt von einer reichen Volksreligiosität mit Verehrung von vielen Heiligen, bunten Prozessionen usw. Meine Erfahrung in den Dörfern der Sierra und im Urwald Perus, wo fast jeder Ort seinen eigenen Kirchenpatron hat, war schön und bereichernd. In Kenia kennen wir diese Frömmigkeitsformen nicht. Ich erlebte in Peru auch eine Kirche, die sich den Ärmsten zugewandt zeigte.

Theologie der Befreiung
Im Studium lernte ich eine besondere Richtung der lateinamerikanischen Theologie kennen, die mich besonders interessierte: die Theologie der Befreiung, von Pater Gustavo Gutiérrez begründet. Ich habe die Dokumente von Medellin, Puebla und Aparecida studiert. Die lateinamerikanische Befreiungstheologie kann auch ein großer Beitrag für die Theologie in Afrika sein.
Comboni, mit seiner Leidenschaft für die Mission in Afrika und seiner Liebe  für die Menschen dort, bleibt eine Inspiration gerade auch für junge Menschen heute, die ihren Weg suchen in einer Welt, die so voll von Gewalt und Zerstörung ist.