Sein Ziel war Kanada. Warum Alfred Njini auf seiner Flucht aus Kamerun bei den Comboni-Missionaren in Ellwangen landete und wieso ein Übersetzungsfehler ihm fast zum Verhängnis wurde. Lesen Sie den gekürzten Artikel von Gerhard Königer:

Prokurator P. Markus Körber und Alfred Achuo Njini in einer Tracht seiner Heimat Kamerun.

Beim Fest der Comboni-Missionare im Missionshaus Josefstal ist der Mann aus Afrika in dem schwarz-gelben Gewand nicht zu übersehen. Alfred Achuo Njini trägt eine festliche Tracht aus seiner Heimat Kamerun. Dort erweise man damit dem Gastgeber seine Hochachtung, sagt er. Indem er die schönsten Kleider trug, wollte er den Missionaren etwas zurückgeben, denn ohne ihre Hilfe wäre Alfred vielleicht nicht mehr am Leben.

Als der Vater ermordet wird, Verwandte verschwinden und er selbst von der Polizei gesucht wird, bleibt Alfred nur noch die Flucht.

Alfred ist 46 Jahre alt, verheiratet, dreifacher Familienvater, Journalist und Lokalpolitiker im Süden Kameruns. Er gehört der englischsprachigen Minderheit an und arbeitet in einer TV-Station. Als er in einer seiner Sendungen Hinweise auf Hilfsangebote für Vertriebene einblendet, gerät er in die Auseinandersetzung zwischen den Separatisten im Nordwesten und der Regierung. Der Konflikt in Kamerun wird mittlerweile blutig ausgetragen, die „Anglophonen“ sind nirgends mehr sicher. Als der Vater ermordet wird, Verwandte verschwinden und er selbst von der Polizei gesucht wird, bleibt Alfred nur noch die Flucht.

Im Februar 2019 bucht er in Südafrika einen Flug nach Toronto (Kanada), weil er gehört hat, dass dieses Land jedes Jahr 300 000 Flüchtlinge aufnimmt. In München muss Alfred umsteigen. Er sitzt im Transitbereich, als ihn Polizisten ansprechen, wer er sei und woher er komme. Er zeigt seine Papiere, sein Flugticket. Die Polizisten sind misstrauisch, nehmen ihn mit in ein Büro, zweifeln an der Rechtmäßigkeit seines Visums. Als sie schließlich zufrieden sind, ist Alfreds Flugzeug weg.
Man rät ihm, zurück nach Südafrika zu gehen, doch Alfred weigert sich. Er fürchtet, von dort nach Kamerun überstellt zu werden. Man schickt ihn zu einer Asylunterkunft in der Stadt. So kommt Alfred nach Deutschland, obwohl er das gar nicht wollte.

Angekommen?
Von München wird Alfred weitergeschickt, nach Karlsruhe, nach Heidelberg, in die LEA in Ellwangen. Er wird befragt nach seinen Fluchtgründen und bei einem der ersten Interviews kommt es zu einem verhängnisvollen Übersetzungsfehler. Irgendjemand notiert, Alfred sei in Kamerun mit Haftbefehl gesucht worden. Später wird die deutsche Botschaft in Kamerun auf Anfrage mitteilen, dass in Kamerun ein mit Haftbefehl Gesuchter mit dem Flugzeug ausreisen konnte. Man wird Alfred nicht glauben und man wird sein Asylgesuch ablehnen.

In der LEA lernt Alfred die ehrenamtliche Helferin Christa Ott kennen. Sie unterstützt ihn bei seinen Behördengängen, hält auch Kontakt, als er nach Rheinfelden kommt. Dort erhält er nach sechs Monaten den Ablehnungsbescheid. In Ellwangen wird eine Ausbildungsstelle gefunden, um die drohende Abschiebung noch zu verhindern. Übergangsweise wohnt er bei den Comboni-Missionaren, geht zur Arbeit und in die Berufsschule. Dort fehlt er an dem Tag, an dem die Polizei ihn abholen will zur Abschiebung, da er noch Behördengänge zu erledigen hat.
Christa Ott kommt die Idee mit dem Kirchenasyl, die bei den Comboni-Missionaren in die Tat umgesetzt werden kann. Nach Ausbruch der Pandemie hat Alfred Zeit, Beweise für Verbrechen und Verfolgungen in Kamerun zu sammeln, Beweise für die Gefahr, die ihm dort noch droht.

Im August 2021 sitzt Alfred Njini im Saal des Verwaltungsgerichts mit Christa Ott und seinem Anwalt. Er erklärt ein weiteres Mal, warum er in Kamerun gesucht wird, aber nicht mit Haftbefehl. Das folgende Urteil gewährt Alfred den höchsten Asylstatus, den man in Deutschland überhaupt genießen kann.
Alfred lächelt, wenn er darüber spricht, als ob er sagen wollte: „Ich habe doch von Anfang an gewusst, dass es gut ausgeht.“ Er will in Deutschland bleiben, seine Familie nachholen. Sein größter Wunsch: „Hier als Pastor arbeiten und den Leuten sagen, dass man sich auf Gott immer verlassen kann.“

Gerhard Königer