Auch nach sieben Jahren in Afrika ist für mich unser Weihnachtswetter hier in Kacheliba mit seinen 30° C im Schatten gefühlsmäßig noch immer „unpassend“ für das, was wir feiern. Die Erwähnung, dass Jesus in einem Stall auf die Welt kommt, erweckt in uns Europäer das Gefühl der Armut. Doch hier bei den Pokot wird es als Segen angesehen, bei den Kühen geboren zu werden. Beim letzten Taufkurs für Erwachsene hat eine Mutter ihr Baby vor meinem Büro im Freien auf die Welt gebracht, nur umgeben von anderen Frauen, die sie mit ihren Tüchern vor anderen Leuten abgeschirmt hatten. Sie haben das Baby nach meiner Mutter benannt, die mich kurz zuvor besucht hatte.

Die Einfachheit, in der Jesus auf die Welt kam, sehe ich tagtäglich auf meinen Pastoralbesuchen in den Dörfern und Kleinen Christlichen Gemeinschaften. Man sieht es den Hütten eigentlich nicht an, ob jemand reich oder arm ist. Reich ist, wer viele Kühe hat; doch diese werden nicht in mehr Komfort investiert. Wer viele Kühe hat, nimmt sich eine zweite oder dritte Frau. Pokot sind ungebundene Menschen und sind gern bereit, sich auf den Weg zu machen: Glaube, das ist ja ein Sich-auf-den-Weg-machen.

Nach Besuchen jede Woche in unseren Dörfern und Taufkursen für Erwachsene und Kinder – letzte Woche hatten wir mehr als 200 Kinder zur Taufvorbereitung allein hier im Hauptort der Pfarrei – geht morgen noch ein letzter Kurs für Jugendliche zu Ende, in dem wir Weihnachten zum Thema gemacht haben. Ich glaube, ohne diesen Kurs, der mich in der Vorbereitung immer wieder mit dem Geheimnis der Erlösung in Verbindung gebracht hat, wäre diese besondere Zeit des Advents auf Weihnachten hin für mich „unerlebt“ vorbei gegangen, wo wir immer wieder meditieren, dass: „Der Sohn Gottes sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt.“ (Aus dem Konzilsdokument „Gaudium et spes.)

Es freut mich immer, in der Predigt und in den Taufkursen von diesem Gott zu erzählen. Und doch sind die Pokot hier auch nach 40 Jahren Pfarrei in vieler Hinsicht weit davon entfernt, christlich genannt zu werden. Aberglaube und Angst vor Hexerei sind tief verwurzelt. Vor einem Monat habe ich einen Abiturienten beerdigt. Kurz nach der Beerdigung kommen Angehörige der Familie und beschuldigen die Christen in diesem Ort, einen Hexer in ihrer Mitte zu verstecken, der den Jungen verhext habe. Alle wurden aufgefordert, an einem Ritual teilzunehmen, um ihre Unschuld zu beweisen. Wir sagten ihnen, dass es nicht gut sei, als Christ an solchen Ritualen teilzunehmen; sie gingen nicht, hatten aber Angst vor den Folgen – und es ist noch nicht ausgestanden.

Im September sind viele Mädchen nach den Ferien nicht in die Grundschulen zurückgekommen. Durch die Beschneidung werden die Mädchen zu erwachsenen Frauen, die verheiratet werden können. In einer unserer Schulen fehlten 11 Mädchen von der vierten bis zur siebten Klasse. Ich ging, um die Eltern zu besuchen. Bei einer Familie wurden wir freundlich aufgenommen, das Mädchen war auf dem Hof mit ihrer Freundin noch in einer Hütte eingeschlossen. Die Mutter berichtete, dass sie ihrer Tochter abgeraten habe, dass diese aber nicht mehr in die Schule wollte und deshalb zur Beschneidung ging. Sie war ein Jahr von ihrem Hauptschulabschluss. FGM (Mädchen-Beschneidung) ist strafbar in Kenia, aber bei den Pokot wird es trotzdem stark praktiziert. Die Beamten sind eingeladen zum Fest: Wo kein Kläger – keine Klage. Beim Wasser holen und anderen Gelegenheiten verspotten erwachsene Frauen oder Gleichaltrige die Schulmädchen, die sich nicht beschneiden lassen wollen als schmutzig und nicht als vollwertig – bis die es nicht mehr aushalten und sich auch der unmenschlichen Praxis unterziehen. Danach geht es meist sehr schnell, bis das Mädchen mit ihrem Einverständnis oder auch ohne, an den „Meistbietenden“ verheiratet wird. Mit unseren Besuchen möchten wir die Mädchen zurück in die Schule bringen oder vor der frühen Heirat bewahren.

Die hohe Akzeptanz der Polygamie (legale Beziehung mit mehreren Frauen) bringt auch für die Pfarrei viele Herausforderungen. Die Paare können keine sakramentale Ehe eingehen und sind damit vom Empfang der Sakramente ausgeschlossen, auch wenn sie aktiv in der Kirche sind. Männer, die sich die Heirat einer zweiten Frau vorbehalten wollen, sind auch nicht bereit, kirchlich zu heiraten. So haben wir viele, die zwar zu den Gottesdiensten kommen, aber oftmals nicht einmal einen Taufunterricht mitgemacht haben. Die Unkenntnis der grundlegenden Wahrheiten in der Kirche trägt stark dazu bei, dass unsere Kirchgänger immer wieder unbekümmert zwischen den Kirchen hin und her wechseln. Vor allem wenn für länger keine Eucharistiefeier in der Kapelle gefeiert wurde, ist es für viele nicht einfach, den Unterschied der katholischen Kirche zu den vielen Sekten zu sehen, wo man auch gerne singt und tanzt.

Gruppenleiterschulungen für Kleine Christliche Gemeinschaften, Jugendliche, Chor und Frauenkreis sind deshalb Priorität in der Pfarrei. Im September, am Fest Kreuzerhöhung, hatten wir unser Patroziniumsfest, wozu wir auch dieses Jahr wieder Christen aus allen Kapellen eingeladen haben. Drei Tage lang hatten wir mehr als 300 Leute aus unseren 50 Kapellen zu verköstigen und zu unterrichten. Wir ermutigten unsere Christen im Vorfeld, Fragen zu sammeln über den Glauben, die sie beantwortet haben möchten. Überraschender Weise kamen so viele zusammen, dass wir ein Büchlein mit hunderten von Fragen und kurzen Antworten dazu auf 40 Seiten zusammenstellen konnten. Beim Pfarrfest erklärten wir die Antworten und es war eine wunderbare Erfahrung, wie interessiert die Leute an diesen Themen waren.

Für das Mädchen-Gymnasium in Serewo sind die grundlegenden Gebäude fertig gestellt. Eine Kollekte, die sie in der Gemeinde vor Ort abgehalten haben, ermöglichte es der Schule, noch ein paar Lehrerwohnungen zu bauen, so dass die Lehrer nächstes Jahr aus den „Lagerräumen“ ausziehen können. Wir versuchen gerade, noch Geld für die Stromverkabelung zu bekommen, da der Staat endlich auch bereit ist, die Schule an das öffentliche Netz anzuschließen. Die Einrichtung ist minimal, aber funktional und die ersten 18 Mädchen haben im November ihre Abiturprüfung dort abgelegt. Jetzt sind wir gespannt auf die Noten, die im Januar herausgegeben werden.

Inzwischen wurde uns auch der Aufbau eines zweiten Mädchengymnasiums in der Pfarrei anvertraut, nämlich in Karon und nur fünf Kilometer von Kacheliba entfernt. Bis jetzt verwalten wir nur das staatliche Geld dafür und begleiten die Bauarbeiten. Ein Block mit zwei Klassenzimmern und einem Schlafsaal ist fast fertig gestellt. Auf lange Frist werden wir uns wohl auch finanziell beteiligen, falls unser Budget es uns erlaubt. Auch wenn viele Mädchen nach der Grundschule nicht weitermachen, bleiben aus den 29 Schulen mit katholischer Trägerschaft und den 20 anderen Grundschulen in unserer Pfarrei immer noch genügend Mädchen übrig, ein zweites Gymnasium zu füllen.

Der Staat versucht mit neuen Gesetzesentwürfen, die kirchlichen Trägerschaften aus dem Schulbereich auszuschließen und alles ganz zu verstaatlichen. Vor kurzem mussten alle Schulen neu registriert werden. Dabei musste man auch angeben, über wie viel Grundstücke sie verfügen. Meistens wurde das Land ursprünglich der Mission übergeben, um eine Schule darauf zu errichten. Jetzt hat das Land die Schulen als die ihren registriert, worauf der Bischof sehr energisch, aber leider zu spät, reagiert hat. In etlichen Fällen wurde selbst das Land, auf dem die Kapelle gebaut wurde, als Schulland registriert. Wenn wir nicht wollen, dass unsere lokale Kirche ohne Grund und Boden da steht, werden wir noch etliche „Gefechte“ auszutragen haben.