„Der Kranke will Heilung. Christus schenkt ihm mehr: sein Heil.“ (Dietrich Bonhoeffer)

Dies ist ein geistlicher Impuls mit der Einladung zur Umkehr. Der Anlass, warum ich mir Gedanken gemacht habe, was man aus christlicher Sicht verantwortlich in Zeiten der aktuellen Epidemie verkünden kann, ist eine Deutung von Papst Fanziskus und anderen Theologen, der ich nicht folgen kann. Diese besagt, dass die Erde/Natur sich mit dem Corona-Virus gegen die Menschheit wehrt. Der Papst erläuterte weiter (am 22.03.2020): „Gott vergibt immer. Die Natur vergibt niemals.“ Nachdem die Vorstellung von einem strafenden Gott abgelegt worden ist, brauchen wir wirklich einen anderen Zuchtmeister?

Meine Sicht ist diese: Unser Planet beherbergt Leben, ist aber selber kein Lebewesen und hat kein Bewusstsein mit erzieherische Komponente. Seit jeher gibt es tödliche Viren und andere Mikroben, lange vor der industriellen Revolution. Teil der modernen Haltung, die Ressourcen der Erde berechnend auszunutzen, ist auch der medizinische Fortschritt, der seit etwa 100 Jahren das Leben effektiv vor vielen früheren Geißeln der Menschheit schützen kann. Wenn sich jetzt in entwickelten Ländern eine Seuche verbreitet, ist das eine Erinnerung daran, wie es für den Großteil der Menschheitsgeschichte gewesen ist und in Teilen der Welt ohne modernes Gesundheitswesen heute noch ist, z.B. Südsudan.

Die Deutung der Erde/Natur als Akteur mit Virenarsenal zur Abwehr von menschlichen Störenfrieden würde implizieren, dass die Menschen von der Steinzeit bis zum Mittelalter – und heute die Armen – der Erde besonders Schaden zugefügt hätten. Das ist Unsinn. Ob Mensch, Tier oder Pflanze, alle befinden sich in einem Überlebenskampf, der am Ende früher oder später für jedes Individuum tödlich endet. Es gibt kein anderes Ergebnis. In der Theologie nennt man das die gefallene Schöpfung (vgl. Römerbrief 8,18-25).

Anstatt die Natur zu personalisieren, möchte ich den Blick auf Gott richten. Die folgenden Gedanken beziehen sich allgemein auf den Umgang mit Tod, insbesondere mit meiner Erfahrung bei den Nuer. Die Menschen um mich herum rechnen mit dem Tod wie mit dem Sonnenuntergang als etwas Unausweichliches, und das zeitlich nicht zu weit weg. Menschen sterben hier schnell und plötzlich, und es gibt keine Erwartungshaltung vor Gott – nicht das gleiche wie ein Wunsch –, dass das Leben hätte länger sein sollen. Die Trauerphase für Verstorbene ist extrem kurz. Auch ich lebe im Südsudan nicht, weil mir als Ausländer fast nichts passieren kann, sondern weil ich keine Angst habe, mein irdisches Leben zu verlieren. Wenn es Morgen vorbei wäre, dann bin ich dankbar für jeden gelebten Tag und muss keinen hinzufügen. Mein Glaube an Jesus Christus schenkt mir diese Freiheit.

Ich begreife meine Existenz auf der Erde als Gast und Pilger mit einer anderen, ewigen Heimat bei Gott (vgl. Hebräerbrief 11,8-16). Meine Einladung zur Umkehr in dieser Reflektion bezieht sich darauf, dass Ihr die gleiche Perspektive einnehmt und euer Leben auf Gott ausrichtet. Wer mit einem Anker im Himmel im Diesseits lebt, wird sein Leben mit Zuversicht gestalten. Wer mit Hoffnung auf den Gott lebt, der die Seele retten kann, dem wird keine irdische Bedrohung diese Zuversicht nehmen.

Die Corona-Krise bringt die Verwundbarkeit unseres Daseins mit der Gefahr eines schnellen Todes ins Bewusstsein. Auch wenn viele von Euch (wahrscheinlich) wenig Sorge um die eigene Gesundheit haben, so doch um andere Menschen, die wir lieben. Das ist eine ungewöhnliche Erfahrung für die meisten Menschen in Europa, aber eine alltägliche Erfahrung vieler Menschen in der Welt. So möchte ich mit Euch meine Zuversicht und die Zuversicht der Christen meiner Pfarrei teilen, dass Krankheit und Tod kein Gewicht haben im Vergleich zur Herrlichkeit Gottes, und so eure Hoffnung in Gott stärken bzw. entfachen. Denn durch den Glauben weicht die Angst der Gewissheit, dass Gott unsere Zuflucht ist, besonders im Leid und in Existenznöten. Wenn unser Leiden in die Beziehung mit Jesus Christus hineingenommen wird, dann erfahren wir die göttliche Kraft, die alles zum Guten verwandelt. Diese Weise zu Vertrauen ist eine Gabe von Afrika an das säkulare Europa.

Lest in diesen heiligen Tagen das Johannes- oder Lukasevangelium in einem durch. Das dauert nur einen Vormittag. Oder, wenn es kürzer sein soll, den Epheserbrief und den ersten Petrusbrief. Der christliche Glaube nährt sich aus der Gewissheit, dass Jesus durch sein Leiden und Tod in die tiefste Gottesverlassenheit der Welt hinabgestiegen ist, dass er sich freiwillig an den Sünden der Menschheit zerbrechen ließ, um jeden von uns zu rufen und an das Vaterherz Gottes zu drücken. Das Kreuz bewirkt Heil. Das ist das Gedenken am Karfreitag. Und am Ostersonntag bekennt die Kirche, dass der auferstandene Herr den Tod überwunden hat. Das Sterbliche ist vom Leben verschlungen worden. Lassen wir es daher auch an uns geschehen. Jesus ist es wert, ihm darin zu vertrauen. Die persönliche Beziehung zu Jesus Christus ist die Brücke zu Gott, dem liebenden Vater.

Zeit zum Anhalten ist Zeit der Umkehr. Also genau das, was die Fastenzeit, die heute endet, eigentlich bezwecken soll. Wenn die Corona-Krise keinen Effekt auf Dich haben wird und Du danach so weiter machst wie vorher, dann ist die Isolation vertane Zeit gewesen. Wenn das erzwungene Anhalten den Effekt hat, dass Du deine Prioritäten neu setzt und dein Herz auf Gott ausrichtest, dann hat die Krise einen Sinn und wird zur Chance. Dabei ist die aktuelle Epidemie lediglich ein Anlass. Wer mit Gott rechnet, für den wird alles zu einem Zeichen seiner Gegenwart und der Einladung zur Umkehr. Ob nun eine Krankheit oder glückliche Zeiten, ob etwas Außergewöhnliches oder der gewöhnliche Alltag. Egal was uns widerfährt, wenn wir es recht betrachten, wird es uns tiefer mit Gott verbinden und wir finden die Kraft, die Sünde hinter uns zu lassen.

Unser Leben ist kostbar, aus christlicher Sicht von unschätzbarem Wert. Wir haben nur ein einziges. Lasst uns das Leben – ob ein kurzes oder ein langes – jeden Moment wertschätzen und es in der Nachfolge Jesu im Dienst an Gott und den Mitmenschen bewusst gestalten. Nicht einfach nur Überleben oder irgendwo Mitschwimmen im Trend. Dein Leben ist ein Geschenk Gottes. Nutze es auf fruchtbare Weise.

„Gott hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben.“ (1 Petrus 1,3)

Gesegnetes Osterfest!
Euer Pater Gregor Schmidt