Liebe Freunde, Verwandte und Interessierte!

In der Fastenzeit haben in Brasilien die Bischöfe wie jedes Jahr zur Geschwisterlichkeitskampagne aufgerufen. Das Thema heißt: Der Frieden ist die Frucht der Gerechtigkeit. In Schulen, Gemeindegruppen, Medien und wo immer es geht, werden die herrschende Unkultur von Rache, Selbstjustiz und Korruption, die Ungerechtigkeit und Gewalt in Justizwesen, Schulen, Gesundheitssektor, Schöpfung, Straßenverkehr, zwischenmenschlichen Beziehungen zur Sprache gebracht und Veränderungen angezielt. Das ist mehr als notwendig, denn manchmal könnte man angesichts der Gewalt in allen Bereichen und Ebenen an den „Karfreitagen“ verzweifeln und den Osterglauben verlieren.

Für mich persönlich war das letzte halbe Jahr nicht einfach. Fühlte mich ausgelaugt, als ob ich den roten Faden verloren hätte. Im Urlaub, den ich auf Anraten des Provinzials in Deutschland verbracht habe, konnte ich reichlich auftanken, die Möglichkeit der Supervision nutzen und einige wenige Freunde besuchen. Zurück in Brasilien habe ich mich wohnungsmäßig selbständig gemacht: Wohne zur Miete in einem hübschen Häuschen, etwa 25 Minuten von Projekten und Kirche entfernt. Genieße das Radeln trotz Regenzeit und Straßenverhältnisse ebenso wie die Chance, meinen eigenen Stil ausprobieren und leben zu können. Versuche auch, die Kräfte besser einzuteilen und dem Auftanken genügend Platz zu geben.

Die Teilnahme am Comboni- und Weltsozialforum in Belem war unendlich bereichernd. Ich konnte beeindruckende Comboni- Missionare und Menschen aller nur möglicher Schattierungen kennen lernen, die sich in den verschiedensten Orten der Welt auf unterschiedlichste Weise engagieren, damit jetzt, aber auch noch künftig, alle Menschen in Würde, Freiheit, Geschwisterlichkeit, Frieden und Eintracht mit der Schöpfung leben können.

Unser Verein CEPROVI läuft das zweite Jahr auf eigenen Füßen: Neben dem Projekt „Von der Straße zum Sport“ (200 Kinder und Jugendliche) und dem Programm zur Ausrottung von Kinderarbeit (100) haben zwei Mitarbeiterinnen die Leitung eines neuen übernommen, welches modellhaft in vier Landkreisen für straffällig gewordene Jugendliche die Schaffung von erzieherischen Maßnahmen ohne Internierung vorbereiten und fördern soll. Obwohl das Jugendgesetz eine Stufung der vom Gericht ausgesprochenen „Strafen“ vorsieht, ist die Internierung ins Jugendgefängnis einzige gängige Praxis. Dabei fehlen auf allen Ebenen sowohl Kenntnis als auch Wille, Organisation und finanzielle Mittel. Oft genug kennen selbst Staatsanwälte und Richter die gesetzlichen Möglichkeiten ebenso wenig, wie Sozialarbeiter und Verantwortliche der Jugendämter. Obwohl wir bereits Mitte April haben, ist auf unseren Konten noch kein Cent der Zuschüsse eingegangen, die Kooperationsverträge nicht unterschrieben. Es ist zum Heulen, wie viele Kräfte man in die damit zusammenhängenden Kämpfe und Winkelzüge stecken muss und die der Arbeit mit den Menschen verloren gehen.

Zum Schuljahresbeginn haben wir für Gilmar (13), Alan (15) und Karliene (15) Schulplätze erkämpft. Alan war über zwei Jahre ohne, Gilmar hat seinen im vergangenen Jahr mit Schulschwänzen verloren, Karliene hatte die Aufnahmeprüfung verpasst. Während die beiden Älteren die Chance zu nutzen scheinen, verschläft Gilmar oft, weil er die halbe Nacht auf der Straße verbringt und die Mutter kaum Einfluss nimmt bzw. hat. Die Direktorin ist spitze, hoffentlich hat sie einen langen Atem. Wir fragen jeden zweiten Tag nach und versuchen, was wir können, denn wenn Gilmar nicht bald die Kurve bekommt, ist er im wahrsten Sinne des Wortes ein Abschusskandidat. Im vergangenen Herbst ist Janaina (21) gestorben. Ihr Tod hat mich sehr berührt. Da die Familie absolut nichts besitzt, haben wir die ganze Nacht telefoniert und gekämpft, um den Sarg, den Transport zur Behörde die den Tod offiziell feststellen musste und die Beerdigung zu organisieren. Dem Baby von Rayane (16) geht es bis auf Hautprobleme recht gut, dafür erwartet die Schwester (17) ihr drittes Kind! Mit Maicon (16) konnten wir nichts erreichen, inzwischen steht er wegen weiterer Überfälle auch unter Morddrohung und kann sich nicht aus dem Haus wagen…Gestern kam Wollmer (13) ins Projekt, fing an zu weinen und erzählte, dass man seinen Vati umgebracht hätte. Ich erzähle Euch das, damit Ihr eine Ahnung habt, wie hart das Leben der Menschen unter diesen Bedingungen ist und wie nötig die Hoffnungsbotschaft der Liebe Gottes, die stärker ist als der Tod.

In der Katechese werden wir dieses Jahr verstärkt in die Aus- und Weiterbildung der ehrenamtlichen Katecheten investieren, insbesondere der Jugendlichen, die sich unheimlich engagieren, denen aber viele Grundlagen fehlen. Ein Schwerpunkt in der Jugendarbeit ist die Befähigung Jugendlicher und junger Erwachsener zur Friedensarbeit in Schulen, als konkrete Präsenz der katholischen Kirche.

Barbara