Pünktlich zum Ende des Monats möchte ich Euch meinen ersten Rundbrief schicken. Inzwischen hat sich genug ereignet, um einiges zu schreiben.
Ich wohne zusammen mit fünf Missonaren im Missionshaus. Bruder Günther (der Administrator des Hospitals), Pater Noli (der Gemeindepfarrer), Pater Marco (der Mann, den man mindestens genauso oft mit dem Schweißgerät sieht wie im Messgewand), Bruder Angelo (der alles falsch versteht, weil er schlecht hört) und Roberto (der Leiter der technischen Instandhaltung).
Mein Tag beginnt um 6.15 Uhr mit Aufstehen (leider) um 6.30 Uhr wird es schon besser, da ist die Laudes (Morgengebet). Anschließend die heilige Messe und danach das Frühstück. Um 8.00 Uhr beginnt dann die Arbeit. Von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr ist Mittag und um 17.30 habe ich Feierabend. 19.15 Uhr folgt die Vesper (Abendgebet) und danach das Abendessen.
Und nun wollt Ihr bestimmt alle wissen, was ich den ganzen Tag arbeite. Das ist nicht so einfach, anfangs stand ich oft nur da und hatte den Mund offen. Da frage ich mich am Abend dann immer, ob es eigentlich Sinn macht, dass ich hier bin und bin froh, dass ich in drei Jahren wieder nach Hause gehe. Es gibt aber auch Tage, da ist es genau umgekehrt, da kann man einfach viel tun und freut sich, wenn man die Welt ein winzig kleines Stück verbessern konnte. Inzwischen sehe ich etwas klarer, wo meine Aufgaben liegen, wo ich mich einbringen kann und was ich im Laufe der Zeit ändern bzw. verbessern will. Zur Zeit laufe ich durch die Gegend und repariere irgendwelche Sachen; die andere Leute kaputt gemacht haben (eigentlich keine Veränderung im Vergleich zu den letzten sieben Jahren). Meine erste Aufgabe war zum Beispiel, den Fehler F98 zu beheben. Da ich dies früher schon oft gemacht habe, war das kein Problem.
Diese Woche habe ich begonnen, das Elektromaterial im Lager zu ordnen. An den Gestank der Katzenscheiße gewöhnt man sich schnell. Aber der Staub geht ganz schön in die Nase. Die Katzen sind gut, denn sie halten das Lager von Ratten frei.
Nun aber genug über die Arbeit. Viel wichtiger ist das Umfeld, die Menschen. Wenn man als Deutscher nach Afrika kommt, dann erwartet man Armut und Not. Davon sieht man hier in Matany nichts. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Aber in Karamoja zeigt sich die Armut auf andere Weise als in der Großstadt. Man muss nur genau hinsehen, dann fallen einem die primitiven Rollstühle auf und die Menschen, die nicht einmal das haben. Am Sonntag sieht man sie dann auf allen Vieren vor den Altar kriechen, um die heilige Kommunion zu empfangen.
Man sieht die Kinder mit einem selbst gemachten Ball spielen, weil sie sonst nichts haben. Da ist es schon eine Sensation, wenn wir kommen, um die Batterien der Solarlampen zu überprüfen. Viele der Patienten sind nur hier im Krankenhaus, weil sie nicht ausreichend mit Medikamenten, Essen und sauberem Wasser versorgt waren. Als ich neulich mit Pater Noli in einem Dorf war, habe ich gesehen, wie die Karimajong wohnen. Eine Familie lebt in einer runden Lehmhütte mit zwei oder drei Meter Durchmesser. Alles, was sie besitzen, befindet sich in dieser Hütte. Doch wenn man hineinschaut, sieht man, dass sie eigentlich leer ist. Nur ein oder zwei Ziegenfelle zum Schlafen. Vor der Hütte ist eine kleine Feuerstelle und ein „ich weiß nicht was“, in dem sie ihre Bohnen aufbewahren. Das Wasser müssen sie von weit her tragen. Außer ihren Rindern und Ziegen haben sie nichts. Ich weiß nicht ob man sagen kann, „diese Leute leben hier“ oder ob man besser sagen sollte „diese Leute überleben hier“.
Es gibt aber auch immer wieder schöne und lustige Dinge. Zum Beispiel ist am Sonntag Morgen um 8.00 Uhr (Messe in Englisch) die Kirche fast voll. Um 10.30 Uhr (Messe in Karamajong) ist sie dann übervoll. Die Menschen sitzen auf dem Boden und auf den Kniebänken, nur die Empore ist leer. Das liegt daran, dass die Empore an unserer Kirche außen ist und nicht innen. Das gehört dann zu den Dingen, die ich nicht verstehe.
Die Leute hier sprechen eine merkwürdige Sprache und behaupten es sei Englisch. Ich spreche auch eine merkwürdige Sprache und behaupte auch es sei Englisch. Wer hat nun recht? Neulich blubbert einer irgend etwas von „buycall“ (buy=kaufen, call=anrufen). Herausgekommen ist, dass er von einem Fahrrad (bicycle) sprach.
Vergangenen Sonntag waren wir ein einem Dorf bei einer Taufe. Ich schätze, es waren über hundert Kinder. Der Gottesdienst war unter einem großen Baum und begann um 10.00 Uhr. Das Ende war so gegen 14.00 Uhr.
Als ich ankam, war es sehr heiß, das hat sich aber gelegt. Zur Zeit ist es angenehm warm und bei Nacht auch manchmal angenehm kühl. Dezember und Januar sollen aber sehr heiß werden, sagen die Leute. Ich überlege, ob ich mich zwei Monate im Boden eingrabe und einen Winterschlaf halte. Aber dann buddeln mich wahrscheinlich unsere Hunde Chicita und Bello aus.
Abschließend will ich noch ein paar Worte zum Essen verlieren. Brot, wie wir es kennen, gibt es hier nicht. Das, was sie herzulande als Brot bezeichnen, nennen wir Wecken. Ich muss mal schauen, wie sie hier die Kühe melken. Denn die Milch ist ein weißes Pulver, das mit Wasser angerührt wird. Schmeckt etwas wässrig, aber drei Jahre kann man es gut trinken. Zum Mittag gibt es Reis, Kartoffeln, süße Kartoffeln, Ziege, Huhn, Hackfleisch, Bohnen, Pfannkuchen, Gemüse und zum Nachtisch Papaya, Ananas, Mango oder Bananen. Das Abendessen ist jeden Tag das gleiche, die Reste vom Mittag …
Martin