„Seit Anfang April 2012 bin ich als Projekt-Koordinator der neu gegründeten sudanesischen Bischofskonferenz im Südsudan. Der Arbeitsumfang ist riesig, die Umstände kaum zu beschreiben. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass es mich so viel Kraft kostet. Und die Bedingungen erschweren die Arbeit zusätzlich: Temperaturen um 40° und eine enorm hohe Luftfeuchtigkeit, da der gewaltige Nil sich an Juba (Hauptstadt des Südsudan) vorbei wälzt. Dies ist auch ein idealer Nährboden für Unmengen von Ungeziefer und Moskitos, die einen besonders nachts attackieren. Gutes Trinkwasser ist rar und die wenigen Brunnen sind durch die mineralhaltigen Erdschichten salzhaltig. Den Menschen bleibt kaum eine andere Möglichkeit, als ihr Trinkwasser aus dem Nil zu holen, in den alle Abwässer geleitet werden; somit stehen Krankheiten Tür und Tor offen.

Einfachste Medikamente sind für die Menschen meist unerschwinglich; so leiden sehr viele an Typhus und Malaria ohne die Möglichkeit einer medizinischen Behandlung – die häufigste Todesursache im Südsudan ist die Malaria. Bei werdenden Müttern und bei Kindern ist die Sterblichkeitsrate eine der höchsten in der Welt. Mit relativ wenigen Mitteln könnte hier geholfen werden.

Fast 55 Jahre Krieg und der permanente Kampf ums Überleben haben die Menschen geprägt. Sie können nur schwerlich Recht von Unrecht unterscheiden. Somit fällt es ihnen nicht leicht, Vertrauen aufzubauen und zu glauben, dass es jemand gut mit ihnen meint. Die Enttäuschungen und Verletzungen in ihrem Leben waren einfach zu groß. Dies ist besonders ein Ruf an uns Missionare, Hilfe zur Änderung zu bringen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.

Es gibt im ganzen Land keine Post und kein Telefonnetz, sondern nur ein teures Satellitentelefon. Die Internet-Verbindung, die ich mir vor kurzem einrichten ließ, erbringt nur geringe Leistung und fällt häufig aus. Die Straßen sind chaotisch und Missionsstationen sind während vieler Monate durch Sümpfe von der Umwelt abgeschnitten. Nach über drei Generationen gibt es kaum noch eine Infrastruktur. Davon ist auch die Landwirtschaft betroffen. Beinahe alle Lebensmittel müssen zu teuren Priesen eingeführt werden, meistens aus Uganda – und das bei den schlechten Straßen. Ein LKW ist oft tagelang unterwegs: Gemüse und Obst kommen bei dieser Hitze in entsprechendem Zustand an. Somit sind die Nahrungsmittel enorm teuer und für die einfachen Menschen kaum zu bezahlen.

Mein kleines Auto, 17 Jahre alt, ist mehr in der „Werkstatt“ als auf der Straße. Nach dem letzten Werkstattbesuch hörte sich der Motor wie ein Traktor an. Es war unschwer zu erkennen, dass eine Zündkerze und der Kontakt nicht richtig eingebaut waren, wodurch der Motor auf drei Zylindern lief. Offensichtlich wurde ein Ersatzteil für einen „guten“ Kunden gebraucht. Da Originalersatzteile so gut wie nicht erhältlich sind, ist dies die normale Praxis hier in Juba.

Die politische Situation ist nach wie vor angespannt. Gewalttätigkeiten sind an der Tagesordnung. So werden alltägliche Probleme oft mit dem Gewehr gelöst. Die Armee beherrscht das Land; die Menschen sind jedoch ihrer Willkür ausgesetzt. Weil die Soldaten und Polizisten wenig und oft keinen Sold erhalten, sind sie gezwungen, sich bei der Bevölkerung zu „bedienen“.

Dies zeichnet ein negatives Bild und doch sind die Menschen, geprägt durch die Umstände, sehr auf Hilfe angewiesen. Sie haben einen großen Nachholbedarf, um in ihrem Land voranzukommen und die Wirtschaft zu entwickeln. Bis zur Unabhängigkeit am 9. Juli 2011 wurde im Südsudan der Aufbau einer eigenen Wirtschaft nicht zugelassen.“