Ein ereignisreicher (Prüfungs-)Monat

Nach einem Abstecher nach Lugazi und einem Aufenthalt im Großstadtdschungel Kampalas hat mich und ganz Kasaala die vergangene Woche mit großem Besinnungstag und Kindergartenabschlussfeier fest im Griff gehabt. Zudem ist gerade Prüfungszeit – das kann spannender und anstrengender sein, als man sich vorstellt

Und ich hab immer gedacht, nur für Schüler sind Prüfungen anstrengend!

Seit einigen Wochen befinden sich alle Schüler in diesem Land in der Examensphase. Das Schuljahr geht mit dem November zu Ende. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie chaotisch die Prüfungszeit begonnen hat. In einer spontan einberufenen Lehrerkonferenz haben wir entschieden, die Woche darauf mit den internen Prüfungen zu beginnen und alle Lehrer aufgefordert, umgehend ihre handschriftlichen Prüfungen abzugeben, damit ich sie zusammen mit der Sekretärin am Computer abtippen kann. Einer hat es gleich erledigt, die meisten haben sich etwas Zeit gelassen, und einer hat seine erst am Tag vorher abgegeben. Da gerade kein Strom da war (was an zwei bis drei Tagen die Woche der Fall ist) musste ich abends bei Generatorbetrieb in meinem Zimmer tippen. Am nächsten Morgen habe ich mich zum Kopierladen aufgemacht und den Ladenbesitzer daheim ausfindig gemacht. Zuerst gab es keinen Strom, so dass das Examen mit einer Verspätung losging.

Während der Prüfungen habe ich mich gewundert, wieso der Aufsicht habende Lehrer auf ein Schwätzchen im Büro vorbeischauen konnte. Als ich mich vergewissern wollte, fühlte sich der eine oder andere doch ertappt bei seiner Art, die Prüfung zu bewältigen. Einige Zeit später war ich etwas irritiert, als ich einige Schüler an anderen Tischen stehen und diskutieren sah. Als dann auch noch der Lehrer in die Diskussion integriert war, war ich komplett verwirrt.

Die offiziellen staatlichen Prüfungen kamen auch einem organisierten Chaos gleich. Zuerst wurden sie kurz vorher um eine Woche nach hinten verschoben. Dann ist an dem Tag, an dem sie beginnen sollten, keiner mit den Prüfungsbögen aufgetaucht. Tags darauf mussten erst drei Prüfer aus Kampala losgeschickt werden: der erste hatte nicht genug Bögen dabei, der zweite ist nie an unserer Schule angekommen, und der dritte sorgte dann dafür, dass zur Mittagszeit die Prüfungen beginnen konnten.

Darf es etwas mehr Luxus sein – oder ein zweites Mittagessen?

Gleich in der Nachbarschaft zu unserer Schule gibt es noch eine von den Schwestern geführte für die Mädels. Dort waren Prüfungen für Haushalt und Kochen, Nähen und Stricken, Haare machen. Die Abteilung Putzen hatte sich ein besonderes Objekt ausgesucht: mein Haus! Ein paar Tage zuvor sind sie mit ihrem Lehrer bei mir angetreten, haben eine Objektbesichtigung gemacht, und ich habe ihnen gezeigt, wo sie groß reine machen sollen. Am 2.11. vor 8:00 Uhr wollten sie da sein. Den ganzen Tag habe ich immer wieder geschaut. Zu meiner Enttäuschung bleib es aber den ganzen Tag ruhig und ich musste selber den Wischmob schwingen.

Dafür wurde ich an Allerheiligen entschädigt. Nachdem ich mein Festtagsmenu im Pfarrhaus eingenommen hatte, wurde ich zu den Abschlussprüfungen der Mädels gerufen: für Haushalt und Kochen. Jede Schülerin hatte ihr eigenes Menu vorbereitet. Ich habe mich für einen Tisch entschieden, wurde dann aber von den anderen mitversorgt, so dass ich kaum noch laufen konnte.

Eine Woche später wurde ich wieder als Essensverkoster eingesetzt, diesmal mit richtiger Prüfung und ohne erstes Mittagessen. Meine Kellnerin war etwas aufgeregt, aber sie hat alles richtig gemacht. Nachher hat mich die Prüferin noch gefragt, ob alles gut war. So konnte ich der Schülerin sogar zu einer guten Note verhelfen.

Zur Krönung standen am vergangenen Freitag dann zwanzig junge Frauen in Putzmontur und mit allerhand Gerätschaften vor meiner Haustür, um in fünf Stunden jeden Winkel meines Hauses zum Blitzen und Blinken zu bringen – rein zu Prüfungszwecken! Nicht selber kochen und putzen zu müssen – was für ein Leben.

Mathematik in allen Sprachen

In meinem wöchentlichen Mathematikunterricht musste ich mit den unterschiedlichsten Problemen fertig werden. Einige Schüler hatten Schwierigkeiten beim einfachen Addieren zweier Zahlern, wobei andere mühelos mit zwei Variablen rechnen und Gleichungen lösen konnten. Andere konnten meinem Unterricht nicht folgen, da ihr Englisch entweder so schlecht ist oder sie mit meinem Akzent nicht zu recht kamen.

Obwohl ich in Kauf nehmen musste, dass einige nichts mitbekommen, habe ich versucht, alles ausführlich und langsam zu erklären und keine schwierigen Themen zu behandeln. Ich habe die besseren Schüler gebeten, manche Aufgaben an der Tafel vorzurechnen und auf Luganda zu erklären. Die, die regelmäßig durch Abwesenheit geglänzt haben, habe ich dann hin und wieder in mein Büro zum Rapport bestellt.

Kaffee ist also doch ungesund…

Ein wie gewöhnlich sonniger und warmer  Sonntagnachmittag wurde letztens von Unruhe unterbrochen. Ein Kaffeebohnendieb wurde am helllichten Tag im Garten der Schwestern erwischt und hinter dem Pfarrhaus bestraft. Die Schwestern schienen sich zu meinem Erstaunen zu amüsieren, als unsere Schüler ihre eilends besorgten Ruten einsetzten und ihm den Hosenboden versohlten. P. Giorgio hat ihn mächtig geschimpft. Wie lange es gedauert hat, bis der Mann wieder sitzen konnte, weiß ich nicht.

Neulich Nacht wurde ich gegen vier Uhr morgens von lauten Stimmen und Tumult geweckt. Als ich mich vor die Tür getraut habe, habe ich erfahren, dass unsere Schüler aufmerksam waren und verhindert haben, dass ein lichterloh brennendes Feuer von einem Schuppen, in dem untertags gekocht wurde, auf ein anderes Haus übergegangen ist.

An einem Freitagmorgen gab es für die Schüler des nahen Gymnasiums statt heiliger Messe einen Gastvortrag von mir. Ich habe ihnen erzählt, was ich hier mache und wieso, wo ich herkomme und wie das so ist in Deutschland – auch mit der Kirche, Gott und dem Sonntag. Ob das alles Hexenmeister oder Teufelsanbeter oder nur Verrückte seien, hat sich mancher gewundert, als ich erzählte, dass viele gar nicht mehr an einen Gott glauben. So was können sich Menschen in einem Land, das von Glauben (aber auch Aberglauben) geprägt ist, gar nicht vorstellen. An einem Sonntag wurde ich dann von unserem anglikanischen Schulleiter als Festprediger bei den Protestanten eingeladen.

So ist’s richtig!

Nach meinem letzten Rundbrief sind nach einigen besorgten Reaktionen wohl folgende Klarstellungen nötig: Es ist mir wohl nicht ganz gelungen zu informieren, wie viele fleißige und bescheidene Menschen es hier gibt, die sich Tag für Tag an ihrem Arbeitsplatz, im eigenen Garten oder mit ihren Kindern reinhängen und sich darum kümmern, dass sich ihr Land nicht nur durch die Hilfe anderer weiter entwickelt.

Und wo wir als Verantwortliche der Schule es nicht geschafft haben, für Disziplin zu sorgen, brauchen wir uns über mangelnde Disziplin bei den Schülern nicht wundern.

Was auch klar ist: Hier ist nicht immer eitel Sonnenschein. Auch wenn die Sonne hier fast jeden Tag  scheint – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – sorgt Regen mal für Abkühlung und mal für Wachstum.

Mathias Blum aus Kaltenthal bei Krumbach/Schwaben ist ein Jahr lang von 2012 bis 2013 als Missionar auf Zeit in Kasaala im zentralen Uganda tätig. Zu seinen Aufgaben gehört die Mitarbeit in der technischen Schule und Jugendarbeit in der Pfarrei.