Einen Bericht über Uganda zu schreiben wäre wohl gleich vermessen, wie wenn ich den geheimnisumwitterten Bergkegel Alekilek aufschlüsseln wollte, der kurz vor Matany wie ein großer Pilz aus dem Boden ragt. So werde ich versuchen, die wichtigsten Eindrücke so gut wie möglich zusammen zu fassen. Von Brasilien bin ich natürlich andere Dimensionen gewohnt und nachdem dort alles größer ist wie irgendwo sonst, habe ich nun doch meine Zweifel bekommen, wo denn die Straßenlöcher größer sind. Die Entfernungen sind dort noch größer und der Straßenzustand war im Interior von Balsas in etwa gleich. Auch da ging es in der Regenzeit nur mit Allradantrieb. Es war auffallend, wie in Uganda alles grün und fruchtbar ist und auch wie viel um die Dörfer herum angebaut ist, vor allem Mais, Sorgum, Maniok, Süßkartoffeln, Bohnen, Tabak usw. So gesehen kamen einem Gedanken auf wie „da dürfte eigentlich niemand hungern“ – und Leute bestätigten das auch. Aber auch der Betrieb am Straßenrand der Städte gibt den Eindruck großen Aufbruchs. Spuren vom langjährigen Krieg sind unübersehbar und ebenso unübersehbar ist auch der Eindruck, dass das Volk wieder aufgestanden ist, Mut und Schaffenskraft hat, ja dass es vorwärts gehen muss.
Die Missionen selber spiegeln eine große Zeit des Aufbauens wieder. Solche Ausmaße hatte ich bisher noch nicht gesehen, auch in Brasilien nicht. Es gibt keine Fotokamera, die solche Stationen einfangen könnte, es sei denn aus der Luft. So etwas kann man wohl nur verstehen, wenn man weiß, dass es zeitweise bis zu 350 Comboni-Missionare gab. Dass darunter starke Persönlichkeiten waren, ist unübersehbar, wie auch die große Containerperiode. Genauso ist unübersehbar, dass diese Periode definitiv und unaufhaltsam zu Ende geht.
Dass Großes geleistet wurde, kann man auch an den vollen Kirchen und begeisternden Gottesdiensten ablesen. Sicher haben dies alles auch sehr markante Ereignisse mit geprägt und hervorgebracht. Die Martyerer von Uganda und jene von Kitgum und auch die ermordeten Comboni-Missionare haben Unauslöschliches bewirkt. Auch die vielen Erinnerungszeichen und Denkmäler aus der Kriegszeit, vor allen um die schrecklichen Ereignisse der Zeit mit den Kindersoldaten haben das Land mitgeprägt. Auch dass die Missionare und Schwestern in den allerschwersten Zeiten beim Volk geblieben sind und nicht wenige zusehen mussten, wie das Martyrerblut die Erde tränkte, wird unvergessen bleiben. Die ugandesische Kirche, bzw. das ugandesische Volk hat ein Saatgut in der Erde, das noch viele Frühlinge produzieren wird. Gemessen an all dem, was da im Verborgenen ruht und irgendwann zum Keimen kommen wird, sind die unübersehbaren Probleme und Schwierigkeiten nicht so groß, dass man fürchten müsste, dass sie den „glimmenden Docht“ auslöschen könnten. Es wird sicher eine Afrikanisierung der Strukturen kommen müssen, die möglicherweise schmerzhafter verlaufen wird als der ganze Aufbau. Es macht etwas den Eindruck als sei dieser Übergang zu schnell gekommen. Ob unsere Form von Ordensleben nicht einen ähnlichen Prozess vor sich hat, wird man auch noch sehen müssen.
Unsere Mitbrüder aus der DSP
Unsere Mitbrüder aus der DSP haben wir alle getroffen: Br. Konrad Tremmel, Michael Dietrich, Günther Nährich, Erich Fischnaller und P. Josef Gerner. Von allen kann ich sagen, dass es ihnen gut geht. Überrascht war ich über deren große Betriebe, welche manche Tag und Nacht auf Trab halten. Br. Konrad Tremmel leitet eine Berufsschule in Layibi bei Gulu. 170 Lehrlinge, und Lehrer versammeln sich am Morgen um die Fahnenstage, singen die Nationalhymne, das Comboni-Lied und sprechen ein Gebet. Dann folgt das Wort des Herrn Direktors und dann geht der Trubel los: Schreiner, Mechaniker, Elektriker, Maurer und Computerleute, alles zusammen 310. Es sei die beste Schule dieser Art in Uganda, selbst Studenten aus der Universität machen dort ihr Praktikum. Von Werkstatt kann man da nicht reden, es ist ein ganzes Dorf. Groß ist auch das Unternehmen von Br. Michael Dietrich. Auch da wird in verschiedenen Bereichen gearbeitet. Es ist ein diözesanes Unternehmen mit Schreinerei, Mechaniker und Baugruppe mit insgesamt 75 Arbeitern. Sie sind in verschieden Missionen tätig und arbeiten auch für Aufträge außerhalb, damit die Kasse nicht austrocknet. Praktisch unterhält sich das Unternehmen selbst und Br. Michael, mit seinen 73 Krautherbsten auf dem Buckel, wird sich langsam überlegen müssen, wie es weitergehen soll. Es ist wohl kaum anzunehmen, dass ihm nochmals ein Comboni-Bruder nachfolgen wird. Das Unternehmen ist auch viel größer als ich je vermutet hatte.
Das Krankenhaus in Matany, das Br. Günther Nährich verwaltet und leitet hebt sich weit ab von manch anderem dieser Art, das wir auch sehen konnten. 280 Betten mit 250 Angestellten und alles was so dazu gehört an Werkstätten, Pflegeschulen bis zum Aufforstungsprogramm und Steinbruchmaschine dürfte seinen Kopf auch kaum abkühlen lassen.
Durch Peter Gruska und Martin Saur hat er zwei tüchtige Mitarbeiter. Für einige Monate ist auch Johannes Nagler dort. Man kann allerdings auch sonst sehen, dass die vielen Mitarbeiter bei der Sache sind. Besonders aufgefallend sind auch die behinderten Mitarbeiter. Das Krankenhaus betreut im Jahr ca. 176.000 Patienten. Was die Aufforstung betrifft, hat dieses Jahr der Regen gut mitgeholfen. Auch die große Kläranlage und der Müllverbrennungsofen sind nicht alltäglich in Uganda.
Um bei den Brüdern zu bleiben, komme ich zu Br. Erich Fischnaller, der im Südsudan ziemlich an der Grenze zu Uganda in Lomin ist. Seine Werkstätten sind sehr organisiert. Wenn man von ihm durch den Betrieb geführt wird, kommt einem vor, man steht vor einem Vulkan, der ständig neue Ideen auswirft. Man kann und muss da schon von einem charismatischen Handwerker reden, dem gelingt, was ihm in den Kopf kommt und dem es auch gelingt, alles abgerundet in seinen Betrieb einzubauen. Wer ihm zuhört oder zusieht und vom Handwerk keine Ahnung hat, mag vielleicht denken, der sei verrückt. Ob Schreinerei, Metallbetrieb, Frauenarbeit oder Garten, alles macht einen geordneten Eindruck und steht zu Diensten der Leute. Gefreut hat mich auch, wie er etwa bei Kirchen- oder Schulbauten die Mitarbeit der Leute einfordert und sogar Baustellen verlässt, wenn die Leute nicht mitarbeiten. Die Containerperiode scheint dem Ende nahe zu sein. Dazu könnten Bücher geschrieben werden. Dass Br. Erich mit alten Tischler- und Schlossermaschinen besser zurecht kommt als mit den neuen elektronischen, ist offensichtlich. Bei diesen Stromverhältnissen ist jedes moderne Gerät schnell am Ende. Wie er die Container selbst sinnvoll als Lager. Teil der Werkstätten oder Holztrockengerät usw. eingebaut hat, ist interessant. Mag sein, dass auch sinnvolle Krankenhauseinrichtungen gekommen sind usw. aber offensichtlich ist auch, dass eine europäische Sperrmüllentsorgung bei weitem nicht immer nützlich ist, bzw. höchstens vordergründig. Entwicklungszusammenarbeit kann man das nicht nennen. Beste Entwicklungszusammenarbeit leistet Bruder Erich mit dem, was er ist, was er hat und was er kann, mehr braucht es da nicht mehr. Derzeit wird viel über ihn in den Südtiroler Medien geschrieben. Was da zu wenig auftaucht ist, dass Br. Erich im Verbund mit den dortigen Comboni-Missionaren und Diözesen steht und dass die Entwicklung des Südsudans nur in diesem Verbund und in Übereinstimmung mit diesen Gremien geschehen kann. Er selber ist sich dieser Sache sehr bewusst, aber in vielen Medienberichten kommt dies nicht zum Vorschein und wird damit ihm und der ganzen Sache des Südsudans nicht unbedingt gerecht. Natürlich muss man den guten Willen aller sehen.
Pater Josef Gerner hat gerade seinen Schulbau fertig. Der wievielte es ist, dürfte er möglicherweise selber nicht wissen. In einem Jahr soll seine Pfarrei übergeben werden, also stehen noch zwei Kapellbauten an, dann sieht man weiter. Gesundheitlich geht es ihm scheinbar gut. Mit seinen 75 Jahren steuert P. Josef auch langsam aber sicher auf die große Ahnengalerie von Missionaren zu, die ihr Letztes gegeben haben und auf deren Wirken, in gewandelter Form, die Kirche Ugandas ihre Basis hat. Ein Missionar dieser Art wird wohl erst im Himmel zur wirklichen Ruhe kommen.
Gefreut haben wir uns auch über die Begegnungen mit den MAZlerinnen, die in einigen Bereichen tätig sind.
In Uganda, wie auch in anderen Teilen der Welt, sind viele NGOs (Nichtregierungsorganisationen) unübersehbar. Ihre Plaketten und Plakate machen eher den Eindruck, als würden sie Uganda tot entwickeln. Viele von ihnen sind solange im Land, wie es Geld gibt. Ist das Geld fertig, ist auch ihre Arbeit zu Ende und die Leute können zusehen, wie sie weitermachen. Man darf sicher nicht alle über einen Kamm scheren, aber in vielen Fällen ist es so. Und das macht den großen Unterschied zwischen unseren Brüdern und ihnen aus. Wie viele Missionare haben während des ganzen Krieges durchgehalten, haben beim Volk ausgehalten. Auch dass Br. Günther Nährich, trotzdem dass er angeschossen wurde, wieder zurückgekehrt ist, rechnen ihm die Leute hoch an. Es geht also nicht nur um Wirtschaftliches, es geht vielmehr um zeugnisträchtige Treue, die viele Missionare kennzeichnet und auszeichnet. Will man Uganda verstehen und sehen, wird man ohne diese Momente niemals ein ausgewogenes Bild zeichnen.
Natürlich gab es auch viele andere Dinge, die mir als Prokurator wichtig waren zu sehen. Radio Wa etwa und viele andere Projekte, die wir unterstützen. Im Grunde war es höchste Zeit, wenigstens einen kleinen Einblick zu bekommen. Es geht nicht um zu urteilen, es geht um Zusammenhänge zu sehen, die unerlässlich sind, wenn man über Projektgesuche zu entscheiden hat. So gesehen war die Reise wertvoll und dringend notwendig. Den Mitbrüdern danke ich für die super-organisierte Aufnahme! Dem schließt sich sicher auch Br. Friedbert an, der mir ein wertvoller Begleiter war.
Bleibt mir noch, Euch allen frohe und gesegnete Weihnachten zu wünschen und ein gutes Neues Jahr. Dies auch im Namen von Frau Weis und der Mitbrüder Euer
Br. Bruno Haspinger