… Dass das Jahr 2012 für mich größere Veränderungen bringen würde, war mir bewusst; doch dass ich die Zeit des Advents zwischen Bahnhöfen und Baustelle verbringen würde, das hatte ich mir nicht gedacht. Nun, es ist so.

Mitte September hieß es: „Innsbruck, ich muss dich lassen“. Dort habe ich die letzten fünf Jahre in der Leitung unseres Studienhauses in Amras im Süden von Innsbruck verbracht; außerdem habe ich in der Seelsorge im Osten Innsbrucks mitgearbeitet, zuletzt als Leiter des Seelsorgsraumes „Pius X. – Rum – Neu-Rum“. Das vergangene Jahr habe ich mit den letzten zwei Studenten im Canisianum gelebt, wo 1970 die ersten Studenten der Comboni-Missionare ihr Studium begonnen haben. Ich bin der Leitung des Canisianums dankbar, dass wir dort für die letzte Übergangszeit Unterkunft und Aufnahme gefundenen haben. Die Veränderungen in der Kirche bringen nun auch für das Canisianum Konsequenzen. Die Priesterstudenten aus verschiedenen Ländern der Welt, die in Innsbruck ein Spezial-, oder Doktoratsstudium absolvieren, werden im kommenden Jahr in ein anderes Haus der Jesuiten übersiedeln; und das Gebäude des Canisianums, das 100 Jahre lang Theologiestudenten beherbergte und den Jesuiten gehört, wird anderen Zwecken zugeführt werden. In den vergangenen Jahren, die ich in Innsbruck verbrachte, erlebte ich so manche Schwierigkeiten wie die Schließung des Studienhauses und die prekäre Personalsituation im Seelsorgsraum sowie die eine oder andere persönliche Enttäuschung. Trotzdem war es für mich alles in allem eine gute Zeit, für die ich dankbar bin.

Im Sommer konnte Mariusz aus Polen sein Studium abschließen; er ist inzwischen zu einem missionarischen Einsatz in Peru; Deogratias aus Uganda hatte mit der Zusatzprüfung in Latein zu kämpfen, aber er kann auch in den kommenden Wochen das Studium beenden. In Zentralafrika hat Moses, der in Innsbruck studiert hat, im November in Bangui (Zentralafrika) die Diakonatsweihe empfangen und wird im kommenden Jahr in seiner Heimat Uganda die Priesterweihe erhalten. Darüber freue ich mich und wünsche ihm und den anderen Studenten, die noch auf dem Weg sind, viel Kraft und Gottes Segen für ihre missionarische Aufgabe. Aber es stimmt mich etwas traurig, dass nun endgültig 40 Jahre missionarischer Präsenz der Comboni-Missionare in Innsbruck, die vor allem durch die Anwesenheit und das Engagement junger Mitbrüder aus verschiedenen Ländern geprägt waren, zu Ende gegangen sind. Es ist für unsere Gemeinschaft und – wie mir scheint – auch für die Kirche in Tirol ein herber Verlust.

Unsere deutschsprachige Provinz hat sich seit einigen Jahren unter dem Motto „Grenzen sehen. Aufbruch gestalten. Aus Gottes Geist.“ Gedanken über den Weg der Gemeinschaft in die Zukunft gemacht. Dabei wurde auch die Zusammenlegung des Provinzalats und der Provinzverwaltung in Betracht gezogen. In diesem Jahr hat sich dieser Plan konkretisiert. So wurde das Pfarrhaus von St. Kunigund in Nürnberg, in dem bisher eine Gemeinschaft der Jesuiten tätig war, erworben und wird gegenwärtig entsprechend saniert und umgebaut. Unsere Gemeinschaft wurde vom Erzbischof von Bamberg gebeten, in der Pastoral des neuen Seelsorgebereichs „St. Stefan – St. Kunigund“ mitzuarbeiten. Seit Mitte Oktober habe ich die Aufgabe als Pfarrvikar in St. Kunigund übernommen. Noch ist das Pfarrhaus eine Baustelle und es gibt noch „keinen Ort, wo man sein Haupt niederlegen kann“. Das klingt ja ganz biblisch. Ich habe inzwischen Obdach im Haus meiner Schwester in Postbauer-Heng (südlich von Nürnberg) gefunden. So pendle ich täglich hin und her. Es ist schon eine besondere Erfahrung, zwischen Bahnhöfen, Zügen, Tätigkeit und Baustelle zu leben. Ich denke da an meinen Vater, der auch viele Jahre Tag für Tag, Sommer wie Winter zur Arbeit nach Nürnberg gefahren ist. Und wie viele tun dies auch heute.

Beim Kennenlernen der Pfarrei habe ich das Bild von Josefs Traum in der Kirche „St. Kunigund“ entdeckt. Es wurde 1937 von Albert Burkart geschaffen, und ist, wie der Künstler selber sagte, „auch Ausdruck der Bedrängtheit und der Not der Entstehungszeit“. In anderer Weise als damals ist auch heute in der Kirche und in unseren Gemeinden „Bedrängtheit und Not“ zu spüren. Unser Land ist zum „Missionsland“ geworden und davor sollten wir nicht die Augen verschließen. Dieses Bild vom „schlafenden“ Josef hat mich besonders beeindruckt. Dies soll, so wird oft gesagt, ein Hinweis auf die Träume Josefs sein und auf eine innere Wachheit und Offenheit für Gottes Wort und Auftrag. Ein Engel rührt Josef an und weckt ihn auf, damit er mit Maria und dem Kind nach Ägypten flieht. Das wiederum ist auf einem weiteren Bild dargestellt. Menschen auf der Flucht, das ist eine Wirklichkeit, die unsere Welt prägt und herausfordert; es sind Menschen, die Sicherheit und bessere Lebensbedingungen suchen. Wie unsere Studentengemeinschaft in Innsbruck so zeigt auch ein Blick in den pfarrlichen Kindergarten von St. Kunigund ein buntes Bild.

Im kommenden Jahr kommt in nächster Nähe eine weitere Baustelle dazu. Der Kindergarten von St. Kunigund wird neu gebaut werden. Ich bin mit dem Bau nicht befasst, aber ich erinnere mich an die beiden Kindergärten unserer Pfarrei am Stadtrand von Arequipa. Dort ist einiges vorwärts gegangen. In Villa Ecológica musste man eine weitere Gruppe einrichten. Es war von Platz her noch möglich. Der Staat hat auch für einige der Erzieherinnen die Besoldung übernommen, aber die Pfarrei „El Buen Pastor“ muss weiterhin noch etwas dazugeben.

Auch mit den Frauen im Gefängnis in Arequipa und in Lima und mit einigen, die inzwischen in Freiheit sind, habe ich noch Kontakt. Sie brauchen immer wieder ein Wort der Ermutigung und der Hoffnung.