NEUE KONTINENTE-REIHE – MISSION HEUTE

Für unsere diesjährige Reihe in kontinente haben wir den Comboni-Missionar, Missionstheologen und Brasilienmissionar Pater Franz Weber gewinnen können. Er wird sich mit dem Thema „Mission heute“ auseinandersetzen. Dieses Mal haben wir uns mit ihm über die Ergebnisse der Amazonas-Synode in Rom unterhalten, die vom 6. bis 27. Oktober unter dem Thema „Amazonien: neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“ stattfand.

P. Franz, Sie waren selbst über Jahre im Amazonasgebiet tätig und wissen um die großen Herausforderungen, vor die sich die Mission der Kirche dort gestellt sieht. Hat die Sonderversammlung der Bischofssynode für Amazonien die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt?
Diese Frage kann man, nach allem, was Bischöfe, Theologinnen und Theologen berichten, die selbst daran teilgenommen haben und was nun auch im Schlussdokument vorliegt, mit einem eindeutigen Ja beantworten. Am positiven, ja ermutigenden Ergebnis der Synode können auch einige in jeder Hinsicht fragwürdige Störmanöver aus ultrakonservativen Kirchenkreisen nichts ändern. Sie verdienen sicher nicht die Beachtung, die sie hierzulande in den Medien manchmal gefunden haben.
Was sich im Amazonasgebiet in akuter Gefahr befindet, ist gewiss nicht der katholische Glaube, sondern das Leben von Millionen von Menschen und ein Ökosystem, von dem die Zukunft unseres Planeten abhängt. Es geht dort in mehrfachem Sinn „auf Leben und Tod“.
Lebensbedrohend, ja in vielen Fällen fast hoffnungslos, ist vor allem die Situation der indigenen Völker, für die die Synode ohne Wenn und Aber Partei ergriffen hat. Dass ihre Vertreterinnen und Vertreter in den Gottesdiensten und in der Synode selbst präsent sein konnten, hat diesen ethnischen Minderheiten am Rand der Gesellschaft, die von den politischen und wirtschaftlichen Eliten schamlos und menschenverachtend als Hemmschuh des Fortschritts bezeichnet werden, zweifellos neue Hoffnung gegeben. Als Missionare macht es uns sehr betroffen, wenn Teile der Kirche das Auftreten der Indigenen in Rom als eine folkloristische Inszenierung verspotteten. Papst Franziskus selbst fühlte sich durch solche Kommentare persönlich betroffen und verletzt.

Pater Franz mit einem Gemeindeleiter in Brasilien.

Arbeiten die Comboni-Missionare auch im Amazonasgebiet, und wo engagieren sie sich besonders?
Ja, wir sind seit mehreren Jahrzehnten vor allem in einigen Gebieten Brasiliens, Kolumbiens und Ecuadors tätig. Einige von uns haben auch unter indigenen Völkern gearbeitet; der verstorbene Comboni-Bischof Franco Masserdotti war eine Zeit lang Präsident des Indianermissionsrates der Bischofskonferenz. Vereinzelt arbeiten wir auch mit den Nachkommen der afrikanischen Sklaven. Ein Schwerpunkt unserer missionarischen Präsenz lag vor allem in ländlichen Gebieten, wo wir mit vielen Konflikten konfrontiert waren, von denen vor allem Kleinbauern betroffen waren. Unter ihnen gab es viele Opfer der Gewalt. Einer unserer jungen italienischen Mitbrüder, P. Ezechiele Ramin, hat seinen Einsatz mit dem Leben bezahlt. Er ist einer der vielen Märtyrer, die der Kirche im Amazonasgebiet zu einer besonderen Glaubwürdigkeit unter den Armen verhalf. In ihrer Existenz bedroht sind erneut kleine Bauern und Siedler und die Familien der Fischer an den Flüssen, wo wir ebenfalls mit einigen Mitbrüdern präsent sind. Der Obere unserer brasilianischen Provinz, Pater Dario Bossi, engagiert sich seit Jahren selbst an vorderster Front und konnte als Delegierter seine Erfahrung direkt in die Synode einbringen.

Man sagt ja, dass es ohne den Mut von Papst Franziskus vielleicht gar nicht zur Amazonassynode gekommen wäre. Welches Ziel hat der Papst mit der Einberufung dieser Bischofsversammlung verfolgt?
Was Lateinamerika und das Amazonasgebiet, ja die Weltkirche und die gesamte Menschheit diesem Papst verdanken, wird wahrscheinlich erst späteren Generationen bewusst werden. Franziskus ist ein Hirte, dem die bedrohten Völker und Minderheiten und die Millionen von Menschen an den Peripherien der Gesellschaft am Herzen liegen. Ihm ist – Gott sei Dank – nicht „das Hören und Sehen vergangen“. Er will selbst ein Hörender sein. Als er sich am 19. Januar 2017 im peruanischen Puerto Maldonado mit Vertretern der verschiedenen Völker Amazoniens getroffen hat, sagte er ihnen : „Ich wollte euch besuchen kommen und euch zuhören … und mit euch eine aufrichtige Option für die Verteidigung des Lebens, die Verteidigung der Erde und die Verteidigung der Kulturen zu bekräftigen“. Franziskus hat der Bischofssynode in einer eigenen Konstitution den Auftrag erteilt „Instrument des Hörens auf Gott zu sein … sodass wir mit ihm den Schrei des Volkes hören … und dort den Willen wahrnehmen, zu dem Gott uns ruft“.

Angehörige indigener Völker demonstrieren während der Synode auf dem Petersplatz in Rom. Foto: Mundo Negro.

Konnten die Bischöfe auf der Amazonassynode diesem anspruchsvollen Auftrag überhaupt gerecht werden?
Sie konnten es deshalb, weil diese Bischofssynode nicht „von oben nach unten“ agierte, sondern in der Tat im Hören auf den „Notschrei“ der Menschen von der Basis her vorbereitet wurde. In einem beeindruckenden synodalen Prozess hatten sich mehr als 87.000 Menschen in unzähligen über das riesige Amazonasbecken verstreuten kleinen Gemeinden mit ihren Ängsten, Sorgen und Vorschlägen zu Wort gemeldet. All das hat im Arbeitsdokument der Synode seinen Niederschlag gefunden. Nach einem nochmaligen Hinhören auf die Stellungnahmen der Delegierten in der Synode selbst und nach dem mühevollen Ringen um eine Konsensbildung ist auch das Schlussdokument ein glaubwürdiger Ausdruck der „aufrichtigen Option“ der Kirche „für die Verteidigung des Lebens.“ Die meisten dieser Bischöfe des Amazonasgebietes, die Ordensleute, vor allem einige Ordensschwestern, theologische Expertinnen und Experten und vom Papst eingeladene Beobachter sind fürwahr keine pastoralen „Blindgänger“, sondern Männer und Frauen, die davon Zeugnis ablegen konnten, „was sie selbst gesehen und gehört hatten“. Manche von ihnen haben in ihrem Einsatz vor Ort Kopf und Kragen riskiert. Sie sind in der Tat Hirten und Hirtinnen, die auch nicht vor den Wölfen geflohen sind. Unter ihnen und mit ihnen sind auch wir Comboni-Missionare und Comboni-Schwestern unterwegs. Die Gegner des Papstes, die nicht müde wurden, die Synode als Gefahr für die wahre Kirche in Verruf zu bringen, haben dagegen keine blasse Ahnung von dieser gefahr- und hoffnungsvollen Wirklichkeit der Kirche im Amazonasgebiet und sollten deshalb besser schweigen.

Papst Franziskus mit Teilnehmern der Synode. Foto: Romano Siciliani, KNA.

P. Franz, sie kennen aus eigener Erfahrung auch die pastorale Situation der weit verstreuten Gemeinden in den riesigen Pfarren des Amazonasgebietes, die darunter leiden, dass sie nur selten mit dem Besuch ihrer Pfarrers und nur dann auch mit der Feier der Eucharistie und der anderen Sakramente rechnen dürfen?
Ja, dieser schwerwiegende Mangel ist schon im Arbeitsdokument der Synode klar benannt und auf der Synode selbst sehr engagiert, aber auch kontrovers diskutiert worden. Hier geht es nicht, wie oft unterstellt wird, primär um die Abschaffung des Zölibats, sondern um eine zentrale Lebensfrage der Kirche. Wenn die Teilnahme an der Eucharistie in der Tat „für jeden Getauften wirklich das Herz des Sonntags“ (Johannes Paul II.) sein soll, dann muss – und das wurde auch diesmal in Rom von Bischöfen der Amazonasregion zum wiederholten Mal angemahnt – nach neuen Wegen gesucht werden, damit die Gemeinden dort nicht weiterhin zu einem eucharistischen „Hungerleiderdasein“ verurteilt bleiben, sondern in ihrer ohnedies schwierigen Lebenssituation aus der Feier der Eucharistie und der übrigen Sakramente Kraft und Mut schöpfen können. Dass der Wunsch der Gemeinden und vieler Bischöfe, nämlich angesichts dieser bedenklichen Situation auch geeignete Männer und Familienväter zu Priestern zu weihen und den Zugang von Frauen zum Diakonat erneut zu prüfen, trotz des Widerstands einer Minderheit in das Schlussdokument der Synode Aufnahme finden konnte, berechtigt zur Hoffnung, dass sich für die Kirche Amazoniens bald die von Papst Franziskus selbst angekündigten „neuen Wege“ in der lebenswichtigen Frage der Ämter für Männer und Frauen öffnen werden.

Interview: Ulrike Lindner