Bruder Hans Dieter Ritterbecks war bis 2013 im Südsudan im Einsatz und arbeitete anschließend als Missionsprokurator in Ellwangen. Seit Mai 2018 ist er wieder in Juba/Südsuan. Hier beschreibt er die Eindrücke nach seiner Rückkehr.

Liebe Freunde,

herzlichen Gruß aus dem Südsudan.

Vielleicht wird erwartet, dass ich nun im Detail (so gut es eben geht) über unsere Situation allgemein berichte. Aber glauben Sie mir, es wäre die ständige Wiederholung einer Beschreibung von Zuständen, die ein jeder Krieg mit sich bringt. Das besonders Abscheuliche im Südsudan ist allerdings, dass dies alles von den mächtigen Militärs, sei es Regierung oder Opposition, der eigenen Bevölkerung angetan wird.

Zu meiner Aufgabe als Hausverwalter zählen u. a. auch die mehrmals anfallenden wöchentlichen Einkäufe. Bei diesen Besorgungen vermittelt die Stadt Juba einen völlig normalen Eindruck: Der Verkehr brummt, die Geschäfte sind randvoll, florierende große Gemüsemärkte, ein Gewimmel von Menschen usw. Doch das Bild täuscht. Schaut man hinter die Kulissen, entdeckt man rasch die andere Wirklichkeit. Zehntausende Menschen leben zusammengedrängt mehr schlecht als recht innerhalb der UN-Flüchtlingscamps in den Außenbezirken von Juba. Die Stadt wimmelt von Bettlern und verwahrlosten Kindern (street boys). Massenprostitution als Überlebenschance, usw. Dabei fragt man sich, was aus den Kindern und Jugendlichen, diesen Jungs und Mädchen, später einmal wird? Sobald die Dunkelheit einbricht, traut man sich kaum auf die Straße. Des Nachts streunen Soldaten und Polizisten durch die Gegend, um alles erdenklich Brauchbare von den ohnehin armen Leuten zu stehlen. Dabei wird auch vor Gewalt, Mord und Vergewaltigung nicht zurückgeschreckt. Immer wieder erzählen mir unsere Mitarbeiter von solchen Übergriffen. Die Reichen bleiben unbehelligt; hohe Mauern mit Stacheldraht und bewaffnetes Wachpersonal sorgen für Ruhe und Geborgenheit. Bei all dem Elend nicht zu vergessen die tragischen Zustände in den Gebieten, wo tatsächlich der Krieg tobt.

Nun gab es Gespräche zwischen den Konfliktparteien in Addis Abeba. Weitere Gespräche sollen folgen. Vergebliche Verhandlungsansätze gab es bereits vor zwei Jahren. Hoffen wir, dass man sich diesmal auf etwas einigen kann und zumindest die Waffen endgültig schweigen.

Apropos Markt: Ich erinnere mich noch, als 2005/2006 die neue lokale Währung mit einem Wechselkurs zum US Dollar von 2:1 eingeführt wurde. Mittlerweile hat sich der Kurs auf dem Schwarzmarkt auf über 300 angesiedelt. Für einen ganz normalen Lebensmitteleinkauf benötigt man tausende von Pfund. Dafür hätte man vor zwölf Jahren einen erstklassigen Gebrauchtwagen erstanden. Durch die jüngsten Friedensbemühungen allerdings hat sich das südsudanesische Pfund gegenüber dem US Dollar etwas erholt. Diese galoppierende Inflation bringt natürlich Probleme für eine gerechte Bezahlung des Personals mit sich. Wir versuchen dies durch zusätzliche Lebensmittel, Erstattung von Arztkosten, Schulgeld, Transportkostenerstattung usw. auszugleichen.

Bei all dem drängt sich ohnehin die Frage nach der internationalen Verantwortung auf. Ein weltweites Problem und, wie wir wissen sind die Erfolge auf diesem Sektor bislang eher bescheiden! Wie auch immer hat sich jüngst das amerikanische Vermögens-Sekretariat für Terrorismus und Finanz-Intelligenz (unglückliche Übersetzung) unter der Leitung von Frau Sigal Mandelker in Sachen Südsudan zu Wort gemeldet. Darin fordert sie insbesondere Kenia dazu auf, die vielen Millionen US Dollar, die sowohl von den Köpfen der Militärregierung als auch von der Opposition in Kenia zum Erwerb von Grundeigentum und Immobilien investiert wurden, einzufrieren. Dass diese Unsummen durch Korruption und damit zu Lasten der Bevölkerung zustande kamen, versteht sich von selbst. Hier verfolgen diese Herren ausnahmsweise gemeinsame Interessen, obwohl man sich zu Hause bis aufs Messer bekämpft. Oder besser: Man überlässt das Kämpfen und Sterben den anderen, wobei das nun hoffentlich ein Ende hat, da ab dem 30. Juni ein dauernder Waffenstillstand vereinbart wurde. Zurück zu Frau Mandelker: Die USA drohen jetzt bezüglich der Auslandsinvestitionen mit ernsthaften Konsequenzen. Kenia ist der erste Adressat, aber es stehen mehrere Länder auf der Liste (so z. B. Uganda und sogar Australien). Es gab dergleichen bereits einige Ansätze. Hoffen wir, dass es dieses Mal ernst wird.

Für mich stellt sich bei all dem die Frage, wo ich mich in dem Ganzen persönlich einbringen kann?? Ich kann die Welt nicht retten und gewiss die Situation im Südsudan nicht heilen. Aber ich möchte in diesem ganzen Durcheinander so ein kleines Segment erkennen, wo ich als Missionar langfristig helfend einsteigen kann. Ich bete zu unserem Herrn Jesus Christus, dass ER mir dafür die Augen öffnet.

Das Bild zeigt mich mit Motorradfahrern vor unserem Haus. Das sind Motorrad-Taxis. Die Stadt wimmelt davon. Die nennen sich übrigens boda-boda. Dabei liegt der Ursprung an der ugandisch-kenianischen Grenze. Als vor Jahren diese Motorrad-Taxis ihren ersten Auftritt hatten, haben sie Menschen zwischen den beiden Grenzen hin und her transportiert (border – border). Daraus hat sich dann der Begriff boda-boda entwickelt. Mittlerweile hat sich diese Beförderungsmethode auf mehrere afrikanische Länder ausgebreitet.

Beten wir gemeinsam zu Gott, dass die Verantwortung im Südsudan recht bald durch eine handlungsfähige demokratisch gewählte Zivilregierung übernommen wird. Übrigens wurde in dem genannten Friedenspapier vereinbart, dass nach drei Jahren Neuwahlen stattfinden sollen. Preisen wir Gott für die vergleichsweise dankenswerte Situation in Deutschland. Denke, das sollte uns auch auf den christlichen Kurs zurückbringen, wenn wir uns in die heftig kontrovers geführte Flüchtlingsdebatte in Deutschland und der EU einbringen. Es gibt weltweit ca. 75 Millionen Flüchtlinge. Davon sind zwei Drittel Inlandsflüchtlinge. 25 Millionen Menschen suchen aus verschiedenen Gründen Zuflucht im Ausland. Die EU zählt mehr als 500 Millionen Einwohner und ist eine der reichsten Regionen auf Erden. Abgesehen von den Kriegsflüchtlingen, denen wir Aufnahme schulden, haben auch die sog. Wirtschaftsflüchtlinge Argumente auf ihrer Seite. Auf 10% der Weltbevölkerung entfällt 85% des globalen Vermögens. Oder: Bei 80% der Weltbevölkerung liegt das tägliche Einkommen unter 10 US Dollar und 800 Millionen Menschen leiden unter Hunger. Dabei werden zusätzlich, besonders in Afrika, die nationalen Märkte durch Billigimporte aus Europa, China und den USA spürbar geschwächt. Es wäre eine christliche Herausforderung an die reichen Industrieländer mitzuhelfen, die Situation in den ärmeren Ländern so zu verbessern, dass die Menschen es dort gar nicht mehr nötig haben anderswo ihr Glück zu versuchen. Soweit dieser kleine Exkurs.

Ich bedanke mich selbstverständlich für Eure großzügige Unterstützung. Falls eine Spende als Hungerhilfe für den Südsudan gedacht ist, bitte entsprechend vermerken, damit die Spende auch für diesen Zweck unmittelbar verwendet wird. Ich habe zwei Mitbrüder dort, die direkt in Beschaffung und Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten an die Bedürftigen eingebunden sind.

Liebe Grüße, Gesundheit und Gottes Segen.

Euer

Br. Hans Dieter