Bruder Bernhard Hengl war zu Besuch in Koboko, einem Ort im äußersten Nordwesten Ugandas an der Grenze zum Kongo und Südsudan, zusammen mit den Bischöfen Hiiboro (Diözese Yambio, Südsudan), Tombe Trille (Diözese El Obeid/Sudan) und Msgr. Roko (Malakal, Südsudan) sowie einer Reihe von Hilfsorganisationen aus Amerika und Deutschland, wie Kirche in Not. Er berichtet vom Elend der Flüchtlinge aus dem Südsudan, aber auch von der neuen Farm, die Bruder Erich Fischnaller aufbaut:

Camps mit weit über einer Million Flüchtlingen aus Südsudan, ohne Hoffnung auf ein baldiges Ende, entstanden in den letzten Jahren, wie Pilze aus der Erde! Bidibidi, das größte Camp, hat einen Durchmesser von über 30 Kilometern und wächst noch täglich. Einfachste PreFab-Classrooms, errichtet für wenige Hundert Schüler, sollen viertausend Kindern, die offiziell in der Schule eingetragen sind, Raum geben, um in zwei Schichten am Unterricht teilzunehmen. Es fehlt an fast allem, nicht zuletzt an bezahlten Lehrern, an Heften, Bleistiften, Stühlen, Tischen. Schulbücher zu bekommen wäre wie nach den Sternen greifen, ein Luxus, der sich gar nicht erst vorstellen lässt!

Wir trafen einen Katechisten mit seiner Gemeinde, der wie alle seine Kollegen vollkommen ehrenamtlich arbeitet: das „Gebetshaus“, eine UN-Plane über Pflöcke gespannt und Steine zu niedrigen Wänden aufgeschichtet. Bäume, die Schatten spenden könnte, gibt es im Camp nicht. Die Gemeinde, die nie einen katholischen Priester gesehen hat, bereitete für die Bischöfe aus ihrer Heimat Südsudan eine beeindruckende Willkommenszeremonie vor. Er berichtete aber auch, dass er als Katechist keine Bibel besäße. Er müsse die Bibel für ihre Wortgottesdienste und für den Unterricht von den Protestanten ausleihen. Er erwähnte auch, dass er sich schäme, in zerrissener Hose, zerrissenem Hemd und kaputten Schuhen vor die Gemeinde zu treten. Er bat, in einem sehr zurückhaltenden Ton, ob die Bischöfe nicht ein paar Bibeln sowie eine Hose, ein Hemd sowie ein paar Schuhe besorgen könnten, wenigstens für die Katechisten, die sie nur beim Unterricht und bei Feiern tragen würden.

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Von der offiziellen Registrierung in Uganda von Flüchtlingen aus Südsudan bis hin zur Berechtigung, Lebensmittel zu erhalten sowie eine Plane und ein paar Hölzer für eine notdürftige Unterkunft zu bekommen, vergehen oft sechs volle Monate. Man muss sich bildhaft einmal vorstellen, dass diese Menschen oft monatelange Fußmärsche hinter sich haben und halbtot von durchgestandenen Gefahren, Hunger und Durst und sonstigen Entbehrungen an diesen Posten ankommen! Wie viele dieser Menschen diese sowieso karge „Nahrungsmittelausgabe“ gar nicht mehr erleben, besonders die Kleinen und Kleinsten, hingerafft von Hunger und Krankheit, muss ich sicherlich nicht erst beschreiben.

Die Bischöfe, Organisationen und sonstige Teilnehmer sind am Dienstag von Kampala aus nach Koboko gekommen. Ich selber kam Montag früh in Arua an, direkt aus Juba. Ein kleines einheimisches Flugzeug, nicht sehr zuverlässig. Wir waren vier Passagiere im Flugzeug. Bruder Erich Fischnaller, ein Südtiroler, von Beruf Schreiner und Landwirt, der aus der großen Missionsstation Lomin, ganz im Süden von Südsudan, fliehen musste, hat mich nach Moyo in Uganda gebracht, vier Stunden Fahrt auf schlechter Straße.

In Moyo, nur wenige Kilometer von der Grenze zu Südsudan entfernt, haben die vier Comboni-Missionare (zwei Brüder, zwei Patres) „verstreut“ Unterkunft gefunden in drei kleinen Häusern. Wenn die neue Missionsstation, in der Nähe vom Palorinya Camp, ca. zwanzig Kilometer von Moyo entfernt, fertig sein wird, werden wieder alle Mitbrüder beisammen wohnen können. Auch hat Bruder Erich ein kleines Grundstück mit Haus und Schuppen gemietet für seine provisorischen Werkstätten. Unter Planen sind einige gerettete Maschinen von Lomin aufgestellt, wo Erichs Arbeiter Möbel, Fenster, Türen, Dachstühle aus Holz und Metall herstellen. Aber alles Holz, Metall und teilweise die Produktion selber, wie Schweißen, ist dem Regen und der Sonne ausgeliefert.  Als ich am Montag spätnachmittags die Werkstatt besuchte, peitschte der Wind Regen in die Werkstätten – nicht allzu gut für Maschinen und Möbel.

Die neue entstehende Comboni-Station, mitten im Busch und nur wenige Kilometer vom Nil sowie vom Flüchtlings-Camp „Palorinya“ entfernt, konnte mit wenig Geld erstanden werden! Ein herrliches Fleckchen Erde, mit vielen Palm- und sonstigen Bäumen. Die Erde ist äußerst fruchtbar. Die oberste Schicht bildet von den Bergen angeschwemmte dreißig bis vierzig Zentimeter Black-Cotton. Darunter findet man teilweise Sand. Kurz gesagt, der Boden ist ideal für Gemüseanbau, für Obstbäume, für ihre geplante Bananenfarm, für Weidefläche.

Äußerst beeindruckend, was die beiden Brüder Erich und Fafa (aus Ghana) in der kurzen Zeit geschafft haben, neben all ihrem Einsatz für Nahrungsmittel und Medikamente für das Camp. In einfachen Unterständen und Gebäuden hausen bereits ca. zwanzig Jungkühe und Jungbullen, die sie von der Farm in Lomin noch rechtzeitig nach Moyo rüber retten konnten, sowie ca. 150 Legehühner, ein Stall voller Sechstages-Küken aus Kenia und ca. fünfzig Hasen. Ein Schweinestall mit ca. sechzig bis achtzig Sauen wird gerade fertig und soll in wenigen Monaten Fleisch für die Umgebung, aber besonders für das Camp liefern. Enten, Gänse, Truthähne und Tauben werden die Farm abrunden.

Daneben baut Bruder Fafa eine „Insekten-Farm“ auf, eines seiner Spezialgebiete, mit hunderten von Käfigen. Die Insekten sollen alleine mit den Ausscheidungen von Schweinen und Kühen gefüttert werden. Das reichhaltige Protein der Insekten soll ein idealer Nahrungszusatz für ihre Tiere sein. Eine elektrische Presse, gerettet aus Lomin, wird bald an einem Tag bis ca. 500 Liter Sonnenblumen-Öl produzieren. Wie ich verstanden habe, gibt es genügend Sonnenblumenanbau in der näheren und weiteren Umgebung. Der „Abfall“ der Sonnenblumen ist ideal für die Schweinefütterung.

Am Eingang der Farm hat Erich im letzten Jahr einen Brunnen bohren lassen, mit Handpumpe. Sie dient vor allem den Menschen in der Gegend. Gerade bohrt eine Firma aus Arua ein tiefes Bohrloch. Das Wasser soll mit einer Solarpumpe in drei je 10.000 Liter-Tanks gepumpt werden. Der acht Meter hohe Wasserturm erhält gerade den Endanstrich in blauer Farbe. Auch die drei Tanks von der Firma Krest in Kampala, wo auch ich unsere Wassertanks für Juba einkaufe, sind bereits angeliefert und müssen nur noch hochgebracht und installiert werden.

Diese Farm wird ein Segen für die ganze Gegend sein, besonders aber für die südsudanesischen Flüchtlinge in den Camps, aus Südsudan.

Meine Lieben, dies nur eine ganz kleine Wiedergabe meiner Reiseeindrücke. Morgen, wenn ich einen Flug bekomme und Transport von Koboko nach Arua finde, fliege ich zurück nach Juba.

Mit herzlichen Grüßen von Koboko, Norduganda, in die Heimat!

Euer Bernhard Hengl