Liebe Freunde zu Hause!

Hier kommt wieder ein Bericht aus Kenia: Als erstes möchte ich beschreiben, was es alles im Cheshire Home zu tun gibt. Es gibt verschiedene Arbeitsbereiche: Laundry (Wäscherei – natürlich wird mit der Hand gewaschen), Küche, Reinigungs- und Gartenarbeiten, Pflege der Wazee (alten Leute), Zuständige fuer die Tagesgäste, die vom Slum kommen, usw. Meine Arbeit umfasst in erster Linie die Betreuung und die Pflege der Wazee (die Kommunikation ist noch etwas schwierig, weil die meisten Kikuyu und Kiswahili reden und zur Not benützen wir zur Verständigung Hände und Füße), ich verbinde Wunden der Leprakranken, assistiere beim Medikamenten austeilen, schneide Gemüse, sorge für Sauberkeit in der Dispensary (Krankenstation), teile Essen an die Tagesgäste aus, schreibe Briefe am Computer für Schwester Ivanna (das ist die Leiterin des Zentrums), wasche Wäsche, usw.

Dreimal in der Woche kommen Leute aus dem Slum zu uns ins Tageszentrum, wo sie mit Essen, Medizin und Nahrungsmitteln versorgt werden und die Wunden der Leprakranken verbunden werden. Während sie bei uns sind, reden, beten oder singen sie gemeinsam und manchmal tanzen sie. Verschiedene Sorten von Gemüse wird ausgeteilt und wenn sie den Heimweg antreten, tragen die meisten Leute die Last in einer Tasche, deren Riemen am Kopf befestigt sind.

Es leben 29 Wazee im Cheshire Home und die meisten sind selbstständig. Sechs von ihnen brauchen zweimal in der Woche Hilfe beim Duschen. Wie das Duschen abläuft beschreibe ich nun, denn es ist nicht vergleichbar, wie es in Europa ist: Zuerst müssen wir Feuer in der Küche anfachen und das Wasser aufwärmen. Wenn das Wasser heiß genug ist, schleppen wir es zum Duschplatz. Aus einer Schüssel schöpfen wir mit einem Becher Wasser und schütten es über die Wazee, während die sich mit der Seife einseifen. Alle Wazee benützen den gleichen Waschlappen und das gleiche Handtuch, was bei uns unvorstellbar wäre und auch unhygienisch ist. Zu Beginn meiner Zeit musste man die Wazee, die im Rollstuhl sitzen, während des Duschens mit einem Plastiksessel herumschieben. Da wir einen Leibstuhl haben, habe ich inzwischen von den Spendengeldern Räder gekauft und anmotieren lassen, was die Arbeit nun sehr erleichtert. Die schmutzige Wäsche gibt man in die Laundry, wo die Arbeiter einen ganzen Tag mit Wäsche waschen beschäftigt sind.

Ein Mzee, der inzwischen gestorben ist und 106(!) Jahre alt war, hat eine große Wunde am Fuss gehabt. Es waren zwei Zehen abgestorben und die Knochen waren bereits sichtbar. Jeden Tag mussten wir die Wunde waschen und verbinden und man kann sich gut vorstellen, dass der Geruch nicht angenehm war. Man vermutete, dass er an Diabetes gelitten hat. In Europa würde ein solcher Fall nie so weit kommen, doch man sieht deutlich, dass es in Afrika an sehr vielem fehlt.

Da wir für die Wazee keine Latze hatten um ihre Kleidung beim Essen zu schützen, habe ich von den Spenden Stoffe eingekauft, um daraus Latze zu nähen.

Es ist nicht leicht, diese Armut zu sehen, während man weiß, dass man nichts Wesentliches ändern kann. Darum ist es von besonderer Bedeutung, sich auf die kleinen Dinge zu konzentrieren.

Abschließend möchte ich mich bei euch für die bisherigen Spenden herzlich bedanken! Ich werde dafür sorgen, dass es wirklich dort eingesetzt wird, wo man dringend Hilfe braucht. Schwester Ivanna kennt auch viele persönlich, die dringend Hilfe brauchen, vor allem Frauen und junge Mütter, die ihre Familie versorgen müssen.

Ich merke auch bei einigen meiner Arbeitskollegen, dass sie nur das Notwendigste zum Überleben haben. Obwohl manche von ihnen keine optimale Arbeitskraft sind, hat Sr. Ivanna sie aufgenommen, weil sie sonst auf der Straße verhungern wuerden.

Einmal hatte ich ein besonders intensives Gespräch mit einer Arbeitskollegin: Als sie ein Buch von mir sah, meinte sie, sie könne sich niemals ein Buch leisten, da sie drei Kinder und ihren Ehemann zu versorgen hat. Sie wisse nie, was der nächste Tag mit sich bringt, doch sie vertraut auf Gott, denn bis jetzt hat er ihr jeden Tag Freude und Kraft geschenkt. Zum Schluss bemerkte sie noch, dass sie nicht mehr als ein Dach über dem Kopf, Freunde, Essen und Gesundheit braucht und sie ist Gott dankbar für das Leben, obwohl es hart ist.

Meine Eindrücke hier sind, dass man noch viel mehr mit dem Leben und somit mit Gott verwurzelt ist. Wenn man sich verabschiedet und sagt: Tuanane kesho (Wir sehen uns morgen), so hört man öfters als Antwort: Mungu akupenda (So Gott will). Obwohl sie nur das Notwendigste zum Leben haben, wirken diese Leute fröhlicher und ausgelassener als in Europa. Nun gut, ich denke, das hängt auch mit ihrer Mentalität zusammen.

Als ich den Slum Korogocho mit meinen Arbeitskolleginnen besuchte, war ich sehr bewegt: Dicht zusammen gedrängte Blechhütten, Müll und Dreck auf den Straßen, offener Abfluss und dementsprechender Geruch, eine Menge kleine Kinder ohne Eltern auf der Straße, … Wenn mancher von diesen Bewohnern das Bedürfnis hat, auf die Toilette zu gehen, muss er dazu ein Plastiksack benutzen. Sehr viele Frauen aus diesem Slum sind Prostituierte und nur wenige schaffen es, in ein anderes Leben aufzusteigen.

In der Kirche von Korogocho feiert man eindrucksvolle Gottesdienste, waehrenddessen Menschen auf dem dahinterliegenden, riesengroßen Müllhaufen arbeiten und mit zusammengebasteltem Müll ihr Geld verdienen. Viele Kinder im Slum haben gesundheitliche Probleme, denn wenn der Wind weht, werden all die giftigen Stoffe von dem Müll verbreitet. Trotz dieser für uns unvorstellbaren Lebensverhältnisse versuchen die Leute zu überleben und kämpfen dafür tagtäglich. Bevor sie auf das Land zurückkehren, wo sie verhungern würden, nehmen die meisten Leute dieses Slumleben im Kauf.

Nun ein ganz anderes Thema:

Es ist noch immer etwas ungewohnt für mich, dass man meistens mit den Händen isst. Ehrlich gesagt ist das Essen besser, als ich es mir vorgestellt habe, obwohl es oft das Gleiche gibt. Das Hauptnahrungsmittel ist Ugali (Maisbrei) und man isst es mit Gemüse. Beliebt ist auch Chapati (ähnlich wie Palatschinken, nur dicker) oder Mandazi (aus fettgebratenem Teig) zum Frühstück. Das Essen in Kenia ist im Vergleich zu unserem schwer und deshalb fühle ich mich meistens müde nach dem Essen.

In Kenia ist das Leben für uns Europäer billig. Wenn man an einem Stand eine Banane, eine Orange oder eine Schnitte Ananas kauft, bezahlt man meistens 10 Cent (in Euro). Wenn man in einem Hoteli isst, gibt man 20 Cent bis 50 Cent aus. Für eine Fahrt in einem Matatu in die Town bezahlt man 20 Cent. Man zahlt allerdings mehr, wenn Stau oder Nacht ist oder man zwei Sitze in Gebrauch nehmen muss.

Eine Matatufahrt ist immer wieder von Neuem ein Abenteuer fuer mich:

Man sitzt dicht zusammengedrängt und wenn die Straßen uneben sind, wird man durchgeschüttelt. Auch die Fahrweisen von den Chauffeurs sind nicht die Sanftesten. Je lauter die Musik ist, desto mehr Leute steigen ein. Ich nehme an, dass die laute Musik fuer viele Leute inmitten des Chaos, des Drecks und der Armut wie eine Betäubung wirkt, sodass man sich besser oder glücklich fühlt.

Besonders auf den Straßen spielt sich das Leben ab: Man sieht hochbeladene Fahrräder, Männer, die einen schweren Karren ziehen, Herden Ziegen mit ihren Hirten, die mitten in der Stadt herumziehen, eine Frau, die an einem Stand lebendige Hühner verkauft, Zuckerl – und Kekseverkäufer und vieles mehr. Man grüßt häufig und es wird fest gehandelt. Mit dem Verkehr muss man sehr achtsam sein und alle Sinne beisammen haben, denn die Autos und die Matatus fahren, wie sie wollen. Es ist anders als in Europa, wo auf den meisten Straßen nur mehr Autos zu sehen sind.

An den Wochenenden bin ich meistens mit den Taize-Brüdern unterwegs. Sie treffen Vorbereitungen für das große internationale Taize-Treffen. Dieses findet in Nairobi vom 26. bis 30. November statt. Es werden Leute aus den ganzen Welt kommen, um sich auszutauschen und miteinander zu beten. Die Vorbereitungen sind bereits fest in Gang und wir besuchen Gemeinden, Dörfer und Nachbarländer von Kenia, um von Taize zu erzählen, mit ihnen Taize-Gebete zu gestalten und sie für das Treffen einzuladen. In der nächsten Rundmail werde ich berichten, wie das Treffen verlaufen ist.

So, jetzt ist es genug. Ich möchte mich noch für eure lieben Mails bedanken. Es tut gut, wenn man merkt, dass viele an einen denken und es gibt mir Kraft und Mut, weiterzumachen. DANKE!!!

Ich schicke euch viele Grüße und die besten Wünsche.

Eure Barbara