Das Projekt
Wir, Dominik Bauer und ich sind hier in Nairobi als sog. „Missionare auf Zeit“ über die Comboni-Missionare. Wir arbeiten im sog. „Kivuli Centre“, einem Zentrum für Straßenkinder. Es wurde vor einigen Jahren vom italienischen Comboni-Missionar Pater Kizito gegründet. Pater Kizito hat in Nairobi die „Koinonia Community“ gegründet, die hier sehr viele Hilfsprojekte hat.
In Nairobi gibt es ca. 60 000 Straßenkinder und für 60 Kinder, die in der Regel zwischen 9 und 17 Jahren alt sind, bietet das Kivuli Centre ein zu Hause. Somit schlafen die Kinder, bekommen Mahlzeiten und verbringen ihren Tag hauptsächlich hier, wenn sie nicht in der Schule sind.
Außerdem gibt es aber noch viele weitere Einrichtungen im Centre, wie eine Bücherei, ein „Social Office“, in das die Leute hier aus der Gegend kommen können, wenn sie Probleme haben, eine Krankenstation, ein Mikrokredite-Projekt, das den Leuten hilft, ein Gewerbe zu eröffnen. Dann gibt es auch noch viele Workshops, wie Schreinerei, Näherei und einen Bereich, in dem Arbeiter Kunstwerke schnitzen. Zusätzlich gibt es noch eine Sprachschule für Englisch, Italienisch, Französisch und Suaheli, sowie eine Computerschule. Viele Waren werden auch in einem „Fair Trade“-Shop verkauft. Zum Schluss gibt es noch viele Sport- und Freizeitangebote wie Fußball, Basketball, Karate, Boxen, Leichtathletik, eine Theatergruppe und eine Tanzgruppe.
Ich arbeite hier im „Youth Office“. Zwar bin ich hier offiziell schon seit vier Wochen, aber während dieser Zeit mussten wir noch viel erledigen und es gab auch schon ein paar Feiertage. Deshalb kann ich über meine Arbeit noch gar nicht so viel schreiben. Auf jeden Fall bin ich für die Jugend- und Sportgruppen im Centre hier verantwortlich. Ich bekomme z.B. von den Vereinen Finanzanfragen, die ich dann überarbeite und an das Management weitergebe, damit die wiederum das benötigte Geld zur Verfügung stellen. Außerdem schreibe/ tippe ich nach jedem Wettkampf/ Ereignis einen kurzen Report ab, wie das Ereignis war. Mein „Chef“ ist Charles, der sog. „Sports Coordinator“. Er sollte sich auch um die ganzen Sportklubs kümmern, allerdings ist er der Trainer der Fußballmannschaft, kümmert sich also vor allem um diese und die anderen sind ihm mehr oder weniger egal. Somit weiß er auch selber gar nicht so viel über die anderen Vereine, was es mir nicht gerade erleichtert, in die Arbeit rein zukommen, aber die Vorstände der Vereine bemühen sich sehr, auch beachtet zu werden und helfen mir so gut sie können.
Die Menschen hier
Also die meisten Menschen hier sind wirklich sehr nett. Vor allem im Centre grüßt man jeden und hält auch oft bei ihm/ihr an, um sich über verschiedene Sachen zu unterhalten. Letztens wollte ich z.B. nur einen Topf zum Kochen aus der Großen Küche holen und brauchte dafür glaub über 30 Min. Hauptsächlich wird hier Suaheli gesprochen, was ich jedoch seit einer Woche (für 1 € !!! pro Stunde) lerne. Somit verlaufen meine Unterhaltungen in Englisch, was auch ganz gut klappt. Jedoch sprechen die wenigsten Leute hier gutes Englisch, was es manchmal etwas schwierig gestaltet. Auch ist die Aussprache hier doch etwas anders als bei uns und somit verstehe ich auch nicht alles sofort.
Auf der Straße vor dem Kivuli Centre sind somit immer sehr viele Menschen, wozu vor allem hohe Arbeitslosigkeit beiträgt. Hier ist es dann auch unmöglich, alle Leute zu grüßen. Oft werde ich hier als „Weißer“ auch etwas skeptisch angeschaut. Ab und zu wurde ich auch schon von Leuten angehalten, die sich mit mir gleich als „Freunde“ anboten und mit mir „reden“ wollten. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass sie eher an Geld interessiert waren.
Eigentlich hätte ich das von Afrika ja nicht gedacht, aber Geld spielt hier eine sehr große Rolle. Wie schon gesagt, gibt es hier sehr viele Arbeitslose. Viele haben nur für ein paar Wochen Arbeit, z.B. um bei einem Hausbau zu helfen. Nicht selten verdienen die Leute dann weniger als 1 $ am Tag!!! Angestellte gibt es auch sehr wenige. Um sich gerade über Wasser halten zu können, eröffnen viele einen kleinen Laden. Somit ist die Straße vor dem Kivuli Centre mit kleinen Läden gesäumt, die v.a. Lebensmittel, Haushaltswaren,… verkaufen. Auffallend sind auch die vielen Frisör Salons und Apotheken. Hier verdienen die Leute aber auch nicht sehr viel, denn einmal Haare schneiden (→ abrasieren lassen) kostet ca. 50 Cent. Auf der anderen Seite können sich die Leute aber auch nicht mehr leisten.
Was mich aber besonders beeindruckt, ist die Offenheit der Leute hier. Letztens kam z.B. einer in unser Büro. Da er eine Weile warten musste, kam ich schnell mit ihm ins Gespräch und am nächsten Tag schon, nahm er mich mit zu seiner Freundin. Diese hat im Januar eine Art Kindergarten gegründet, in den sie die Straßenkinder (1½ – 6 Jahre) aufnimmt. Da sie 10 Jahre lang Lehrerin war, unterrichtet sie die Kinder auch in Rechnen, Lesen, Singen, …Das alles macht sie freiwillig. Nachmittags gehen die Kinder dann nach Hause und sie fängt an, in ihrem Kiosk zu arbeiten. Das fand ich auch eine sehr schöne Erfahrung, wie sich die Leute hier in ihrer Not helfen.
Erstaunlich fand ich dann heute, als ich mich mit einem der Jungs hier unterhalten habe, dass er meinte, den Deutschen geht es deshalb so gut, da jeder dem anderen hilft und in Kenia jeder nur nach sich selber schaut, oder zumindest nach denen des eigenen Stammes, von denen es hier 42 gibt. Oft werde ich auch danach gefragt, wie viele Stämme es denn in Deutschland gibt.
Einkaufen
Dominik und ich leben hier ja in einer Wohnung im Centre. Die Wohnung besteht aus Bad, Küche, Wohnzimmer und zwei Zimmern für uns. Mittags und Abends können wir immer hier im Centre mit essen. Allerdings wird hier eher weniger Wert auf den Geschmack gelegt, sondern wichtig ist, dass es satt macht. Es gibt oft „Githeri“, einen Bohnen-Mais-(manchmal auch Kartoffeln)-Eintopf, das halt richtig schwer im Magen liegt und sich nach einiger Zeit auch mit ordentlich Blähungen bemerkbar macht. Deshalb essen wir abends oft bei Fr. Kizito mit, sofern er kocht, oder wir kochen auch mal für ihn. Auch für das Frühstück müssen wir einkaufen.
Die Grundnahrungsmittel bekommen wir hier in den Läden vor dem Centre. Die sind dort sehr billig, z.B. kostet eine Banane ca. 5 Cent. Wenn wir dann etwas ausgefallenere Sachen brauchen, können wir diese im Supermarkt einkaufen (Letztens haben wir eine Packung „Frankfurter“ gekauft). Die bekannteste Supermarktkette hier heißt „Nakumatt“. Dort bekommt man so ziemlich alles, aber dann auch zu höheren/europäischen Preisen. Dafür gibt es dort aber auch sehr viele Angestellte, die einen sehr freundlich beraten (auch wenn sie nicht immer genau wissen, was man möchte, da sie eben nicht alles auf Englisch verstehen). An den Kassen steht immer einer, der beim Einpacken hilft. Wahrscheinlich sind die vielen Mitarbeiter nur möglich, weil hier der Stundenlohn sehr niedrig ist.
Verkehr
Das meist genutzte Fortbewegungsmittel ist das „Matatu“, wie die Busse hier genannt werden. Diese gehören meistens Privatleuten (glaube ich) und fahren auch nicht nach einem bestimmten Plan. Jedes hat eine Liniennummer, wo es hinfährt und man wartet dann an den Haltestellen eben so lange, bis das nächste Matatu kommt. Diese gibt es in drei verschiedenen Größen:
In ein kleines, das sind glaub die kleinen Nissan- und Toyota Busse, die in Deutschland (bzw. wahrscheinlich in England, da hier Linksverkehr herrscht) nicht mehr durch den TÜV gekommen sind, passen bis zu 14 Personen. Nachdem die Matatus dann aus Deutschland angeliefert wurden, werden sie „renoviert“, d.h. es wird über die Roststellen drüber gemalt und eine ordentliche Soundanlage, d.h. vor allem Subwoofer reingebaut. Somit sieht man von außen nicht, wie alt das Matatu schon ist und innen hört man nicht, wie das Matatu auseinander fällt.
Die nächste Stufe sind dann so mittelgroße Matatus, die ca. 30 Personen fassen. Dann gibt es noch die größten mit ca. 50 Personen. Die mittleren und großen sind auch schon ziemlich alt, werden aber wie die kleineren nochmals hergerichtet.
In die Stadt (ca. 15 km) braucht man ca. 45-75 Min., da der ganze Verkehr erst mal durch den Stadkern geht. Das stört die meisten Leute aber nicht, da man ja erstens sowieso nichts ändern kann und zweitens nimmt man sich einfach die Zeit. Die Fahrten sind sehr billig, in die Stadt kostet ca. 20-30 Cent (Es hängt davon ab, welches Matatu man nimmt und zu welcher Zeit man fährt).
Armut
Die Armut hier ist schon ziemlich groß. Man sieht vor allem deshalb so viele Menschen auf den Straßen, weil sie einfach arbeitslos sind. Sie versuchen dann oft, irgendwelche Aushilfsarbeiten zu bekommen. Im Kivuli Centre gibt es auch einen Fitnessraum (bzw. gab es, da die meisten Geräte entweder beschädigt oder gestohlen wurden). Die meisten trainieren dort aber während der Tageszeit und auch die Meetings werden um 10 Uhr Vormittags gehalten, da da die meisten Leuten Zeit haben.
Letztens waren wir auch bei einer Familie hier im Slum. Diese, bestehend aus der Mutter, ihrem Sohn und ihrer Tochter, wohnt in einem Zimmer, das ca. 4-5m groß ist. Das Zimmer besteht aus einem Bett, das durch ein herunter hängendes Bettlacken vom „Wohnzimmer“ (ein Tisch und 3 Stühle) abgetrennt ist. Fließendes Wasser gibt es hier auch nicht. Sie müssen es also in Kanistern von Stellen wie dem Kivuli Centre für ca. 2 Cent pro Liter holen. Die Miete für das Zimmer beträgt ca. 15 €. Dabei haben sie hier auch noch Glück, dass das Dach dicht ist.
Wir waren auch schon im Slum „Kibera“, dem zweitgrößten in Afrika. Was ich ziemlich krass fand, war, als uns auf der Fahrt durch den Slum ein Mercedes entgegen kam. Fr. Kizito erzählte uns, dass diese oft denen gehören, die die Wohnungen im Slum vermieten.
Entsprechend der hohen Armut, ist auch die Kriminalität sehr hoch. Ich selber habe zwar noch nichts direkt erlebt, aber viele haben schon von Geschichten in dem Gebiet hier erzählt. Deshalb sollen wir das Centre auch nicht verlassen, wenn es dunkel ist, also von 19-6 Uhr. Aber auch für die Einheimischen ist es nicht ganz ungefährlich, z.B. läuft hier nachts keiner mehr mit irgendwelchen Wertsachen herum. Die lassen sie dann lieber im Centre und nehmen sie wann anders wieder mit.
Ich habe auch schon mit ein paar gesprochen, die irgendwo Praktika machen. Das finde ich ziemlich gut, denn dann sitzen sie nicht in den Straßen herum, kommen nicht auf dumme Gedanken und betrinken sich nicht. Das Problem ist aber, dass sie dafür ja kein Geld bekommen. Einer kommt somit abends immer ins Kivuli Centre und isst dort mit den Kindern mit. Tagsüber kann er sich aber kaum Mahlzeiten leisten.
Was mir sonst schon passiert ist
Einmal war ich auf einem Fußballspiel der Mannschaft des Kivuli Centres. Die Mannschaft spielt in der dritten Liga Kenias. Sie sind letztes Jahr abgestiegen, obwohl es dafür gar keinen Grund gab, aber Charles hatte glaub mal Probleme mit der KFF (Kenyan Football Federation), was dann den Abstieg zur Folge hatte.
Das Fußballfeld bestand zur Hälfte aus Gras und zur anderen Hälfte aus Erde. Desweiteren war es so eben wie ein Acker. Die Fußballspieler hatten Fußballschuhe, die ihrem Aussehen nach entweder in Deutschland bei einer „Alte Schuhesammlung“ gesammelt wurden, oder waren schon seit über 10 Jahren in Gebrauch waren. Im Gegensatz zu den Schuhen, Hosen und Socken, waren die T-Shirts zwar gleichfarbig, allerdings gab es zum einen nur 11 Stück, bei einem Wechsel, musste das T-shirt also auch gewechselt werden und zum anderen hatten sie auch dementsprechend keine Namen darauf.
Das Spiel fing dann mit einer Stunde Verspätung an, da davor noch ein anderes Spiel war. Meiner Meinung nach hatte das Spiel um ca. 17:45 Uhr begonnen, allerdings war schon um 18:20 Uhr Halbzeit, bzw. Seitenwechsel. Denn da es ja schon ab 18:15 Uhr dunkel wird, gab es keine Zeit für eine Halbzeitpause, da das Spielfeld über keine Scheinwerfer verfügt und somit nur bei Tageslicht gespielt werden kann. Ich ging dann aber trotzdem zur Halbzeit, da ich ja bei Dunkelheit nicht draußen sein sollte, erfuhr aber am nächsten Tag, dass die Zweite Halbzeit 25 min. gedauert hatte.
Einmal waren wir mit den Jungs hier auf dem sog. „Trade Fair“ Festival, das jedes Jahr in Nairobi stattfindet. Dies ist so eine Mischung aus einer Agrarmesse und einem Erlebnispark.
Pünktlich um 9 Uhr waren wir dann am Treffpunkt. Los gings dann aber erst um 10:30 Uhr. Damit sich die Betreuer während der Veranstaltung verständigen konnten, machte Cinthia eine Liste mit allen Handynummern, bei der sie mir doch glatt einen neuen Namen gab: „Alumine“. Da einige über das Wochenende in der Nähe des „Show Grounds“ (Messe-/ Festgelände) Campen gingen, transportierten wir noch 4 Matratzen auf dem Dach des Kivuli Busses. Desweiteren waren in diesem glaub doppelt so viele Personen, wie es Sitzplätze gab. In Dominiks Reihe saßen 3 Personen auf zwei Sitzen, von denen jeder noch einen auf dem Schoß hatte. Für die normalerweise 30 min. (10km) dauernde Fahrt brauchten wir 60 min. Somit war es schon 11:30 Uhr, bis wir ankamen.
Als wir dann endlich drinnen waren, verteilten sich die Jungen ziemlich schnell und die Kleingruppen, die wir zuvor gebildet hatten, brachten nichts mehr. Es wurde noch gesagt, dass wir uns um 17 Uhr wieder am Bus treffen. Ich wunderte mich nur, wie das funktionieren sollte, denn als wir ausstiegen und ich ein paar Jungs nach der Uhrzeit, die ich ihnen auf meiner Uhr zeigte, fragte, bekam ich entweder falsche oder keine Antworten.
Ich ging dann mit einer Gruppe von Betreuern mit. Als erstes informierten wir uns, wie Kaffee gemacht wird. Das war dann auch das einzige Informative, das wir von der Ausstellung mitnahmen. Desweiteren schauten wir uns noch die Kühe, Pferde und Schafe an (Es gab aber schon noch mehr Tiere, man konnte z.B. auch auf einem Kamel reiten). Außerdem gingen wir noch in so eine Art Stadion, denn am Nachmittag (tolle Zeitangabe) sollten noch Falschirmspringer dort abspringen. In der Zeit davor kam ein Musikverein, eine Militärvorführung, bei denen ich mich über den Humor der Kenianer wunderte, denn die fanden es irre komisch, wie die Soldaten spielten, wenn sie getroffen wurden und starben.
Auf jeden Fall wurde der Himmel immer bewölkter und wir waren dann nach 1½ Stunden des Wartens der Meinung, dass die Fallschirmspringer nicht mehr kommen. Um 16:30 Uhr fing es dann leicht zum regnen an und einer der Betreuer meinte, dass das einzige, das er am Regen mag, ist, dass dann die Kinder wieder in den Bus zurückkehren. Nach einer ¾ Stunde waren dann alle, bis auf vier, im Bus. Wir mussten also noch bis 17:45 Uhr warten. Als die vier dann kamen, meinten sie, sie würden heute hier irgendwo bleiben und verschwanden wieder.
Während der Busfahrt stieg noch eine Afrikanerin zu, der ich als netter Europäer natürlich meinen „Platz“ / halben Sitz anbot. Nach einiger Zeit hatte ich sie also dazu überredet, sich dort hinzusetzen. Als ich dann aber stand, boten mir alle ihre Plätze an. Ich lehnte jedes Mal ab, bis mir erklärt wurde, dass dies eine Ehre für die anderen sei, wenn sie mir ihren Platz geben durften. Also setzte ich mich eben wieder hin und ein anderer musste stehen.
Also ich hoffe ihr konntet einen ersten Eindruck von meinem Leben in Nairobi bekommen …
Also viele Grüße
Armin