Ugandischer Alltag – ugandische Probleme
In der Zeit seit meinem ersten Rundbrief konnte ich mir ein gutes Bild von unserer Gemeinschaft, von der Pfarrei, der technischen Berufsschule, in der ich tätig bin, und dem Leben und der Mentalität der einheimischen Menschen machen und mich an alles gut gewöhnen. Bei aller Schönheit des Landes, der Lebensfreude und Freundlichkeit der Menschen möchte ich aber die Probleme, mit denen wir uns jeden Tag konfrontiert sehen, nicht aussparen. Kurz, die Hauptprobleme hier sind der Mangel an Organisation, Motivation, Disziplin und vor allem und wie so oft Geld.
Vergangene Woche hatten wir in der Schule das erste Krisentreffen in kleiner Runde, um zu besprechen, wie wir unsere Schüler, Lehrer und unsere Werkstätten (wir bilden Maurer, Schreiner, Fahrzeugmechaniker und Elektroinstallateure aus) wieder auf Vordermann bringen können. Es kamen dabei viele gute Ideen zustande, für die es entweder am Geld oder an der Umsetzbarkeit fehlt. Ein Lehrer meinte, er könne eine Maschine zum Ziegelpressen bauen, um hochwertigere Ziegel herzustellen und zu verkaufen. Aber wenn hier einer sagt, dass er so etwas in zwei Monaten machen kann, heißt das noch nicht, dass er es wirklich kann, und wenn, dann eher in zwölf Monaten.
Buchhaltung auf ugandisch
Als Buchhalter, als den ich mich aufgrund meiner übertragenen Aufgaben bezeichne, weiß ich nicht einmal, über wie viel (eher: wie wenig) Geld die Schule überhaupt verfügt. Wir haben zwar ein Konto bei der Bank, aber keiner weiß genau, was da drauf ist. Wir können nämlich nicht einmal einen Kontoauszug, geschweige denn Geld, bekommen, da wir keine Berechtigung haben und es noch nicht geschafft haben, eine zu bekommen. Da wir also kein Geld haben, müssen wir sparen, wo es nur geht.
Manchmal sind Lehrer genauso schlimm wie Schüler
Die Zahlungsmoral der meisten Schüler ist schlecht, da entweder das Geld nicht da ist oder von den Vätern versoffen wird. So war ich letzten Monat ständig damit beschäftigt, Schüler zu fragen, wo das Geld für das letzte Drittel dieses Schuljahres bleibt. Wir haben jetzt angefangen, einige wieder heimzuschicken, um das Geld zu holen. Wie will man aber jemanden heimschicken, der gar nicht da ist? Einer ist erst vor kurzem aufgetaucht, da angeblich einen Monat lang sein Fahrrad kaputt war. Der durfte auch gleich wieder heim radeln, da er nicht bezahlen konnte. Das fällt uns zwar nicht leicht, aber hier muss sich jeder jemanden suchen, der für einen die Schulgebühren bezahlt: Eltern, Verwandte oder eine Organisation wie die Caritas. Denn ohne Geld, keine Schule, keine Arbeit, Armut. So einfach ist das.
Diejenigen, die hingehen können, vielleicht sogar von jemandem unterstützt werden, wissen das anscheinend nicht immer zu schätzen. Ich habe selten einen Tag erlebt, an dem alle da gewesen wären. Freitag ist zum Beispiel ein beliebter Tag, nicht aufzutauchen, da dies der „Garten-Tag“ ist: Mais säen, Unkraut vernichten, Kartoffeln ernten.
Selbst mit den Lehrern ist es nicht immer ganz einfach. Vor einiger Zeit sind einige Hacken, die die Schüler für die Gartenarbeit brauchen, abhanden gekommen. Man munkelt, dass das einer unserer Lehrer gewesen sei. Ein anderer ist letzte Woche nicht zum Unterricht erschienen, sondern in seinen Garten gegangen, um dort zu pflanzen. Nur zum Frühstück und Mittagessen (das in allen Schulen für Lehrer und Schüler bereitgestellt wird) ist er aufgetaucht und hat das Essen für sich und dazu für seine Gehilfen mitgenommen. Um dem die Krone aufzusetzen, kam er am Abend in mein Büro und hat nach seinem Gehalt verlangt.
An Geld fehlt es einfach überall
Selbst in der Missionars-Gemeinschaft sieht es finanziell nicht gut aus. Die Missionsstation ist umringt von zahlreichen Schulen, die von den Missionaren gebaut wurden und von uns und den Comboni-Schwestern, die gleich auf der anderen Seite der Kirche wohnen, betreut werden. Mehr als 400 (!) Schüler jedes Jahr, die sich das Schulgeld nicht leisten können, werden von P. Giorgio unterstützt. Alles Geld, das er hat, sind Spenden aus Italien. Nicht nur für Schulgebühren, auch für das Gehalt mancher Lehrer (das eigentlich der Staat bezahlen sollte) und für neue Gebäude muss er aufkommen. Auch für all das, was die Gemeinschaft so braucht: Essen, Strom, Benzin, Internet, Angestellte, Klopapier. Da die Eurokrise auch in Italien voll zugeschlagen hat, P. Giorgios Wohltäter nicht mehr die Jüngsten sind und deren Renten gekürzt wurden, sieht er sich seit einigen Monaten dem Problem drastisch rückläufiger Spenden gegenüber.
Ab dem nächsten Schuljahr muss er die Anzahl der Schüler, die er unterstützt, stark reduzieren. Hätte er nicht vor kurzem für eine große Zahl an Schülern in der technischen Berufsschule bezahlt, hätte ich letzte Woche keine Löhne bezahlen können. Bei manch anderer Schule steht er noch in der Kreide.
Letzte Woche habe ich mich entschlossen, ihm mit einem Großteil der mir zur Verfügung stehenden Spenden zu helfen. Ich habe den Schulleiter einer anderen privaten Comboni-Schule, einem Comboni Laienmissionar, persönlich das Geld für die von P. Giorgio gesponserten Studenten übergeben, womit dieser wiederum seine Lehrkräfte bezahlen konnte. Das Geld ist also wirklich dort angekommen, wo es gebraucht wird.
50 Jahre Unabhängigkeit – 50 Jahre Uganda
Ich kann heute diese Zeilen in aller Ruhe schreiben, denn hier ist absolut nichts los. Keine Schule, keiner arbeitet, die Straßen sind leer. Uganda feiert fünfzig Jahre Unabhängigkeit von den Briten. Fünfzig Jahre zahlreicher Regierungswechsel, blutiger Umwürfe, Putsch, Krieg, Kindersoldaten, Leid, Tod. Selbst hier im so genannten Luweero-Dreieck kam der damalige Priester von Kasaala bei einem Kreuzfeuer ums Leben, als der immer noch amtierende Präsident Museveni gegen den damaligen Machthaber Obote gekämpft hat. Die Konsequenzen des Krieges sind heute noch spürbar: Viele Menschen haben keine Eltern mehr und wurden von anderen Familien auf- und angenommen.
Gab es diesen Monat auch etwas Erfreuliches?
Das Gute an all dem, was ich in diesem Bericht geschildert habe: Ich fühle mich irgendwie nützlich. P. Giorgio freut sich bisher auch über meine Arbeit in der Schule. Es braucht sich auch niemand Sorgen haben, das Essen wird uns nicht so schnell ausgehen, wir haben einen riesigen Garten und ein paar Schweine.
Am letzten Septembersonntag habe ich meine Karriere im Kirchenchor begonnen und in der Messe mitgesungen – bei den lugandischen (Luganda ist die Sprache der Einheimischen) Liedern tat ich mir noch etwas schwer, vor allem dann, wenn weder Text noch Noten vorhanden waren.
Beim nächsten Mal kann ich dann davon berichten, wie mein anspruchsvoller Mathematikunterricht abläuft, den ich in der Berufsschule einmal die Woche gebe, was ich mit Schreibfaulen und mit dem Handy Spielenden anstelle und was mit denen passiert, die meinen Unterricht schwänzen.
P.S. Die Baustelle in Lugazi steht. Auch hier ist das Geld ausgegangen, aber das Dach ist drauf. Demnächst fahre ich hin, um mir selbst ein Bild zu verschaffen.