Für unsere diesjährige sechsteilige Reihe in kontinente schreibt Comboni-Missionar und Missionstheologe Pater Franz Weber. Das Thema „Mission heute“ ist aktueller denn je und stellt auch die Comboni-Missionare vor neue Fragen, die Antworten erfordern.
Mission ist Lebensnerv und Auftrag der Kirche. Dass Mission immer im Kontext der jeweiligen Epoche unterschiedlich aufgefasst wurde, ist heute klar. Aber was genau bedeutet Mission eigentlich und warum gibt es sie?

P. Franz Weber

Dazu stellt Pater Franz Weber einige grundsätzliche Überlegungen an:

Der Gedanke der christlichen Mission hat seinen Ursprung in der Begegnung mit Jesus von Nazareth, dem Gesandten Gottes und Überbringer der Frohen Botschaft.

Die Mission war vom Anfang des Christentums an „aktuell“ und sie wird es immer bleiben. Jesus von Nazareth hat sich selbst als „Missionar“, als Gesandter des Vaters verstanden. Vom Geist Gottes wusste er sich gesalbt und gesandt, „den Armen die frohe Botschaft zu bringen“ (Lk 4,18). Und diese Mission hat er an seine Jüngerinnen und Jünger weitergegeben. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20, 21).
Oft habe ich mich als Missionar gefragt, was diese Frauen und Männer damals nach dem Tod und der Auferstehung Jesu mit einer solchen Begeisterung erfüllt hat, dass sie sich derart für die Sache Jesu „ins Zeug legten“, dass es ihnen gelang, sein Evangelium allen Verfolgungen und Widerständen zum Trotz in die gesamte damals bekannte Welt zu tragen.

Mehr als ein Sozialprojekt
Nein, es war mehr. „Die Sache Jesu“ war keine Lehre und keine Religion, keine der vielen Philosophien, die damals in der griechisch-römischen Welt Mode waren, auch zunächst kein, wie man heute sagen würde, weltveränderndes „Sozialprojekt“. Es war die Begegnung mit einer faszinierend einzigartigen Persönlichkeit, die Menschen so in ihren Bann geschlagen hatte, dass sie sich mit ihrer ganzen Existenz für „sein Reich“, das heißt für seine Botschaft und ihre Verwirklichung einsetzten.
„Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“ (Apg 4,20), bekannten Petrus und Johannes freimütig, als ihnen der Hohe Rat verbieten wollte, weiter über diesen Jesus zu sprechen. Und noch Jahrzehnte danach klingt im ersten Johannesbrief in einer Generation von Christen, die Jesus von Nazareth nicht mehr persönlich begegnet waren, sondern ihn nur vom Hörensagen kannten, die Erfahrung von Augenzeugen nach: „Was von Anfang an war, was wir gehört, was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefasst haben vom Wort des Lebens …, das verkünden wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt“ (1 Joh 1, 1-3).
Die Frauen und Männer, die Jesus begegnet waren, müssen eine so tiefgreifende Erfahrung mit ihm gemacht haben, dass sie von ihm und seiner befreienden Botschaft einfach nicht mehr loskamen. „Wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über“ (vgl. Mt 12, 34). Und sie müssen diese Erfahrung von persönlicher Begegnung immer wieder so glaubwürdig weitererzählt haben, dass sich auch viele andere von dieser Person und ihrem Lebensprogramm ansprechen ließen.
So wurden in den ersten christlichen Gemeinden einfache Leute aus den untersten Volksschichten und Sklaven, aber auch hochgebildete Persönlichkeiten wie Paulus von Tarsus und andere zu Missionarinnen und Missionaren. Sie waren bereit, sich von Jesus Christus ganz in Dienst nehmen zu lassen und alles andere aufzugeben: „Was mir ein Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust gehalten. Ja noch mehr: Ich halte dafür, dass alles Verlust ist, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles überragt“ (Phil 3,7-8).

Comboni-Pater Abraham Sireu mit Kindern bei einem Gemeindefest in Graz-Messendorf. Foto: Ernst Zerche.

Lebenswert und Lebenssinn
Wie hat damals also alles begonnen mit der „Mission“, mit dieser Bewegung, deren Anhänger man bald in Berufung auf ihren Urheber „Christen“ nannte? Wie konnte sich dieser „neue Weg“, wie man das Christentum auch nannte, wie ein Lauffeuer bald über den gesamten Mittelmeerraum ausbreiten? Rein menschlich gesehen wurden dieser „kleinen Herde“ von den Trägern der religiösen und politischen Macht damals keine realen Überlebenschancen eingeräumt. Ja, viele haben sie und ihre Botschaft von einem gekreuzigten Gott, wie Zeitgenossen bezeugen, lächerlich gemacht. Warum hat man die Christen trotzdem verfolgt? Woher rührte diese „subversive“ Kraft, die von diesen Menschen ausging, die auf Jesus Christus ihre ganze Hoffnung setzten?
„Am Anfang des Christseins steht keine große Idee, sondern die Begegnung mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit eine entscheidende Richtung gibt.“ Diese Überzeugung, die Papst Benedikt XVI. am Beginn seiner Enzyklika „Deus caritas est“ zum Ausdruck gebracht hat, kann man ohne Einschränkung als Ursprungsimpuls jeder Form christlicher Mission bezeichnen. Und darin liegt ihr „Geheimnis“ und ihre innerste Antriebskraft.
Gewiss, die Mission der christlichen Kirchen hat im Laufe ihrer Geschichte höchst fragwürdige und leider auch sehr gewalttätige Formen angenommen, für die Papst Johannes Paul II. im Jubiläumsjahr 2000 um Vergebung gebeten hat. Der Blick auf die dunklen Seiten der Missionsgeschichte hat in letzter Zeit zweifellos vermehrt dazu geführt, dass dem Christentum pauschal jedes Recht auf Mission abgesprochen wird. Aber was wären Christinnen und Christen, die nicht mehr den Mut hätten, davon Zeugnis abzulegen, welchen tiefen Lebenswert und beglückenden Lebenssinn der Glaube an und die Begegnung mit Jesus Christus und der befreienden Botschaft seines Evangeliums für sie darstellt? –

Papst Franziskus
Was ist das Geheimnis einer Persönlichkeit wie Papst Franziskus und seiner „Mission“, die er der Kirche und Welt von heute vorleben möchte? Wie kann dieser alte Mann, der vom „Ende der Welt“ kam, der von der direkten Begegnung mit den Armen in ein für ihn fremdes und belastendes „System Kirche“ hineinversetzt wurde, wie kann ein solcher Mensch, der auch aus den Grenzen seines Menschseins kein Geheimnis macht, allen Widerständen und innerkirchlichen Widersachern zum Trotz, eine Freude und Zuversicht ausstrahlen, die auf Millionen von Menschen überzeugend wirkt? Papst Franziskus hat auf diese Frage in seinem ersten Apostolischen Schreiben, dem er bewusst den Titel „Die Freude des Evangeliums“ gegeben hat, eine eindeutige und überzeugende Antwort gegeben. „Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt – und immer wieder – die Freude.“

Comboni-Missionare – aus Freude und Leidenschaft
Auch wir Comboni-Missionare, die wir uns immer wieder Rechenschaft darüber zu geben versuchen, wie wir in unseren verschiedenen und oft sehr schwierigen Einsatzgebieten unsere Mission möglichst glaubwürdig erfüllen können, leben letztlich aus der Begegnung mit Jesus Christus, der im Gebet, in seinem lebendigen Wort und in den vielen Menschen, mit denen wir unterwegs sind, persönlich auf uns „zukommt“ und unsere Zukunft ist. Im Vorwort zu den Dokumenten unseres letzten Generalkapitels von 2015 ist der tiefste Beweggrund und die Kraftquelle unserer Mission benannt: „Es ist die Freude über die Einladung zur Umkehr, um an der Mission Christi teilzunehmen und die Leidenschaft Gottes für die Menschheit zu verwirklichen. Es ist die Freude, Teil eines gemeinsamen Projektes zu sein …, um in der Welt die Liebe des Vaters zu entfachen, die in Jesus Christus erschienen ist.“

Pater Franz Weber