Männersache? – Im dritten Teil unserer Reihe „Mission heute“ setzt Pater Franz Weber sich mit der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche auseinander. In seinem nachsynodalen Schreiben „Geliebtes Amazonien“ hat Papst Franziskus diesbezüglich leider keine lehramtliche Neuorientierung gewagt.
Frauen haben in der Geschichte der Mission von Anfang an eine tragende Rolle gespielt. Aber die Anerkennung ihres vielfältigen Engagements in Form eines Amtes – zum Beispiel als geweihte Diakonin – bleibt ihnen bisher verwehrt. Übersieht die katholische Kirche die „Zeichen der Zeit“?

Mission – von Anfang an auch ein Auftrag an die Frauen
Wurde der Missionsauftrag, alle Völker zu Jüngern zu machen, vom auferstandenen Herrn nur dem Kreis der Apostel als Repräsentanten des Volkes Israel (Mt 24, 16-20) erteilt? Wer zur Rechtfertigung seiner Vorbehalte gegenüber der Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche die Meinung vertritt, die Mission sei doch von Anfang an vor allem „Männersache“ gewesen, muss sich von allen vier Evangelien und anderen Schriften des Neuen Testamentes eines Besseren belehren lassen. Wenn die Begegnung mit Jesus Christus als entscheidender Ursprungsimpuls der christlichen Mission zu sehen ist, dann haben einige Jüngerinnen des Herrn diese Erfahrung mindestens ebenso intensiv erlebt wie die Männer, die in seine Nachfolge gerufen wurden.

Frauen in der Nachfolge Jesu
Im Lukasevangelium (8,1ff) werden neben Maria Magdalena zwei weitere Frauen (Johanna und Susanna) namentlich angeführt, die neben „vielen anderen“ Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem begleiteten und mit den Zwölf an seiner Mission der Verkündigung des Evangeliums teilnahmen. Nach dem Zeugnis aller Evangelien waren es zuerst Maria Magdalena und andere Frauen aus seinem Kreis, die dem Auferstandenen begegneten und von ihm den Auftrag erhielten, zu den Jüngern zu gehen und ihnen zu sagen, dass er „von den Toten auferstanden“ sei (Mt 28,7). Im 3. Jahrhundert werden bei Bischof Hippolyt von Rom die Frauen deshalb als „Apostelinnen“ bezeichnet, eine Bezeichnung, die später bei Thomas von Aquin vor allem Maria Magdalena zugesprochen wird. In Berufung auf ihn und auf andere Theologen der Kirchengeschichte hat die Kongregation für den Gottesdienst am 3. Juni 2016 den Gedenktag der heiligen Maria Magdalena am 22. Juli – auf ausdrücklichen Wunsch von Papst Franziskus – in den liturgischen Rang eines Apostelfestes erhoben.

Kleine christliche Gemeinschaft in Kenia. Foto: Johannes Pichler.

Missionarinnen der ersten Stunde
Doch kehren wir noch einmal zurück zu den Anfängen der urchristlichen Missionsbewegung. Da waren fürwahr nicht nur Männer am Werk, sondern Ehepaare wie Prisca und Aquila und zahlreiche Frauen, von denen Paulus voll Dankbarkeit und Wertschätzung am Schluss seines Briefes an die Gemeinde in Rom (16, 1-16) einige beim Namen nennt wie Phöbe, die „Diakonin“ der Gemeinde von Kenchreä, die dem Paulus offensichtlich in einer schwierigen Situation zur Seite gestanden war (16,1-2) oder die Mutter eines gewissen Rufus, die für ihn „zur Mutter geworden war“ (16,13). Der schwierige „neue Weg Jesu“ – als solchen hat sich das Christentum offensichtlich selbst verstanden – war also von Anfang an ein „synodales Geschehen“, an dem Männer und Frauen in gemeinsamer Aktion auf dem Weg waren. Dabei haben aber zweifellos einzelne Frauen in der urchristlichen Mission eine entscheidende und leitende Rolle gespielt wie etwa die Purpurhändlerin Lydia in Philippi, in deren Haus eine Gemeinde entstand, die zum ersten „Missionsstützpunkt“ auf dem Boden Europas wurde. Mit Paulus und Lydia begann die Missions- und Glaubensgeschichte Europas, die nicht nur durch Männer als Missionare, sondern auch durch den Einsatz mutiger und herausragender Frauen, durch Glaubensbotinnen, Märtyrerinnen, Äbtissinnen und Kirchenlehrerinnen und vor allem durch unzählige unbekannte Frauen geprägt ist, die der Kirche durch ihr Lebenszeugnis ein menschliches und weibliches Gesicht gaben.

Stark von Frauen getragen – die Amazonassynode
„Wir helfen dir, das Boot der Kirche zu rudern“, haben die im Oktober 2019 in Rom stark vertretenen Frauen aus dem Amazonasgebiet dem Papst persönlich versichert. Es ist in diesem Teil der Weltkirche in der Tat so, dass es überwiegend Frauen sind, die dort die vielen weit entlegenen kleinen Gemeinden begleiten und leiten, in die nur selten ein Priester kommt. „Schränken wir den Einsatz der Frauen in der Kirche nicht ein, sondern fördern wir ihre aktive Rolle in der kirchlichen Gemeinschaft. Wenn die Kirche die Frauen verliert, […] riskiert sie, unfruchtbar zu werden.“ – Mit diesem Appell, den Papst Franziskus im Juli 2013 in Rio de Janeiro an den brasilianischen Episkopat gerichtet hatte, wird im Schlussdokument der Amazonassynode vorgeschlagen, ein Dienstamt für Gemeindeleiterinnen einzurichten und institutionell anzuerkennen, was ohnedies in vielen Diözesen des Amazonasgebietes längst gängige Praxis ist.
Außerdem war im Vorbereitungsprozess der Synode von vielen Seiten immer wieder der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, die Weihe von Frauen zu Diakoninnen in die Wege zu leiten. In diesem Anliegen haben sich Delegierte in einem eigenen Gesuch an den Papst gewandt und ihn gebeten, die mit dieser Frage befasste Kommission neu zu besetzen.

Eine Frau spendet die Taufe in Brasilien. Foto: Barbara Ludewig.

Gemeindeleiterinnen, warum aber keine Amtsträgerinnen?
In seinem nachsynodalen Schreiben „Geliebtes Amazonien“ spricht Papst Franziskus zwar davon, dass es „starken und engagierten Frauen“ im Amazonasgebiet zu danken sei, dass die Kirche dort auch ohne die Präsenz von Priestern am Leben geblieben sei. Auch habe ihn das Zeugnis der Frauen auf der Synode selbst „angerührt“. Was der Papst aber dann zum Wunsch nach Zulassung von Frauen zu den Weihen, von ihrem Streben nach Macht und von der Gefahr ihrer Klerikalisierung ausführt, hat zweifellos viele Frauen, die ihr Leben oft unter schwierigsten Bedingungen in den Dienst der Kirche stellen, tief verletzt.
Hätten die auf der Synode sehr behutsam und respektvoll vorgetragenen Vorschläge, die aus Sorge um das Leben der vielen kleinen Gemeinden in diesem so vielfach bedrohten Amazonasgebiet eingebracht wurden, nicht zumindest eine Beachtung und eine Weichenstellung zu einigen dringend notwendigen Reformschritten verdient? – Die von vielen nach der Amazonassynode erwartete schrittweise aber doch ausdrückliche Öffnung der kirchlichen Ämter für Frauen ist nicht erfolgt. Manche sagen, der Papst habe die Tür dazu zumindest nicht zugeschlagen. Sie wird so oder so bald ausdrücklich geöffnet werden müssen, wenn unsere Kirche auch in unserer Zeit noch glaubwürdig sein soll. Das von Papst Franziskus selbst benannte Risiko, dass unsere Kirche in zunehmenden Maß die Frauen verliert, ist längst gegeben. Vielerorts zeichnet sich bereits ab, dass viele Frauen nicht mehr bereit sind, im Boot der Kirche zu bleiben, wenn sie nicht auch in der Tat „ans Ruder“ kommen.

Haben wir einen Blick für diese „Zeichen der Zeit“?
Wenn wir auf unsere Missionserfahrungen in verschiedenen Teilen der Weltkirche zurückschauen und auf die Menschen, mit denen wir uns gemeinsam im missionarischen Dienst engagiert haben, dann werden viele von uns sich gerne und dankbar auch an viele Frauen erinnern, die als Katechistinnen und Gottesdienst- und Gemeindeleiterinnen, als Ordensschwestern oder als verheiratete Frauen und Mütter, in vielen sozialen Diensten der Kirche eine sympathische Gestalt verleihen. Können wir da nicht, wie Paulus in seinem Brief an die Philipper, sagen: „Ich danke meinem Gott jedes Mal, sooft ich eurer gedenke … Ich danke für eure Gemeinschaft im Dienst am Evangelium“ (Phil 1,2)?
Papst Johannes XXIII. hatte schon vor sechzig Jahren am Vorabend des 2. Vatikanischen Konzils die „größere Teilhabe der Frauen am öffentlichen Leben“ als Zeichen der Zeit wahrgenommen.
Wann werden wir als katholische Kirche die volle und gleichberechtigte Teilhabe der Frauen am Leben der Kirche und an ihren Ämtern als Antwort auf die Zeichen der Zeit erkennen? Die Mission der Kirche ist und bleibt auf jeden Fall nur eine und sie gilt in gleicher Weise als Auftrag Jesu an Frauen und Männer, die einander auf gleicher Augenhöhe begegnen und gemeinsam die Verantwortung für die Weitergabe des Evangeliums tragen.

P. Franz Weber