Vor hundert Jahren ging der Erste Weltkrieg zu Ende. Eine Ordensgemeinschaft, deren Mitglieder zwei verfeindeten und Krieg führenden Nationen angehörten: Wie hat sie den Krieg überstanden?
Vor dem Krieg zählte die Kongregation etwa gleich viele italienische und deutschsprachige Mitglieder. Die Letzteren kamen fast alle aus dem Deutschen Reich und aus der Monarchie Österreich-Ungarn. Im Krieg wurden Italien auf der einen Seite und Österreich und Deutschland auf der anderen Feinde. Auf beiden Seiten wurden Mitbrüder zu den Waffen gerufen und kämpften gegeneinander. Auch Missionare sind Menschen und wurden zur Vaterlandsliebe erzogen. In welchem inneren Zwiespalt lebten wohl viele Mitbrüder! Wie waren die Begegnungen, wenn es denn welche gab? Es fällt auf, wie stark in Briefen aus jener Zeit an die Gemeinschaft und die mitbrüderliche Liebe appelliert und wie sehr um sie gerungen wurde. Das zeigt aber auch, wie sehr es wohl in vielen Herzen gebrodelt hat.
Das Missionsgebiet ist Feindesland
Das Missionsgebiet, der Sudan mit Niederlassungen auch in Ägypten und Uganda, war englische Kolonie. England war Verbündeter Italiens und Gegner von Österreich und Deutschland. Der Missionsbischof in Karthum, Franz Xaver Geyer, war Deutscher, der Generalobere in Verona Italiener. In Khartum waren zwei Gemeinschaften. In der einen war Bischof Geyer mit fast ausschließlich deutschsprachigen Mitbrüdern, in der anderen war der italienische Verwalter mit italienischen Mitbrüdern. Die englischen Behörden internierten zahlreiche österreichische und deutsche Missionare in Sidi Bishr in der Nähe von Alexandrien. Alle anderen mussten in Khartum bleiben und waren zur Untätigkeit verdammt. Auch wurden keine weiteren deutschen Missionare mehr ins Land gelassen. Die italienischen dagegen konnten sich frei bewegen und arbeiten.
Weitaus die meisten finanziellen Mittel waren bisher aus Österreich und Deutschland gekommen. Von dort kam jetzt fast nichts mehr. Bischof Geyer musste alles, was er erübrigen konnte, Baumaterial für die geplante Kathedrale, Maschinen und Papier der Druckerei und anderes, verkaufen, um überleben zu können. Die meiste Unterstützung bekam Bischof Geyer übrigens – und das hebt er in seinen Memoiren hervor – von den französischen Missionswerken in Lyon und Paris.
Die Teilung der Kongregation
Zwar nicht sofort nach dem Krieg, aber verursacht durch ihn, beschloss die Missionsbehörde in Rom die Teilung der Kongregation in zwei unabhängige Ordensgemeinschaften mit der gleichen Ordensregel und fast dem gleichen Namen. Die Italiener erhielten den Namen FSC (Filii Sacratissimi Cordis Jesu= Söhne des Heiligsten Herzens Jesu), die deutschsprachigen nannten sich „Missionare Söhne vom Heiligsten Herzen“ (Missionari Filii Sacratissimi Cordis) MFSC. Weil selbst 1921 noch keine Missionare aus Deutschland und Österreich kommen konnten, trat Bischof Geyer zurück, und die Missionsbehörde in Rom wies den deutschsprachigen Missionaren ein neues Missionsgebiet in Südafrika zu. Vierzehn in Karthum verbliebene Missionare fuhren 1923 mit dem Schiff direkt nach Durban. Die meisten im Gefangenenlager Internierten mussten nach dem Krieg nach Europa zurückkehren.
Neubeginn in bitterer Armut
Nach dem Ende des Kaiserreiches war es jetzt möglich, in Deutschland selber Niederlassungen zu gründen. 1920 gründeten zwei in Sidi Bishr internierte und jetzt zurückgekehrte Missionare, Pater Isidor Stang und Pater Jakob Lehr, in Josefstal bei Ellwangen die erste Niederlassung in Deutschland. Die Mitbrüder begannen in bitterer Armut.
Fast schlimmer noch war es in Brixen. Die Niederlassung dort wurde der deutschsprachigen Kongregation zugesprochen, obwohl Brixen im Vertrag von Saint Germain 1919 italienisch geworden war. Das große von Bischof Geyer um 1900 erbaute Xaverianum wurde von Staat konfisziert. Schwierig war auch der Neubeginn in Südafrika. Die Mitbrüder konnten fast keine Hilfe aus Europa erwarten. Etwas erleichtert wurde die wirtschaftliche Situation durch Bettelpredigten des einzigen Holländers in der Kongregation, Pater Franz Heijmans, in seiner Heimat.
Eine schmerzhafte Wunde
Das Verhältnis der beiden jetzt getrennten Kongregationen blieb lange Zeit sehr unterkühlt. Zu tief waren die Wunden. Zudem hatten die deutschsprachigen Mitbrüder im jetzt italienischen Südtirol keinen leichten Stand. Wenn man dies alles bedenkt, bekommt man eine enorme Hochachtung angesichts dessen, was sie in wenigen Jahren geleistet haben. In den weniger als 20 Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, genauer von 1923 bis 1941, stieg die Zahl der Mitglieder von 54 auf 224. Nach dem Krieg, 1948, waren es dann nur mehr 160.
Wieder vereint
Erst zögerlich, dann entschlossen, machte sich eine neue Generation von Mitbrüdern daran, die Gräben zu überwinden. Mitgeholfen haben das Zweite Vatikanische Konzil und das Ende der Kolonialzeit aber auch die Besinnung auf den Gründer Daniel Comboni. Die nähere Beschäftigung mit der Person des Gründers machte klar: Die Teilung der Kongregation und die gegenseitige Entfremdung der Mitbrüder standen im klaren Widerspruch zum Geist Combonis. Im Jahr 1979 vereinigten sich beide Kongregationen wieder und gaben sich einen neuen Namen: „Comboni-Missionare vom Herzen Jesu“.
P.Reinhold Baumann