Benediktinerpater Pirmin Mayer stammt aus der Nähe von Biberach und arbeitete während seines letzten Urlaubs in der Pfarrei Santa Maria in Ecuador mit, wo Comboni-Schwestern eine Schule leiten. Er erzählt vom Alltag in der Pfarrei, wo bereits Comboni-Missionar Pater Reinhold Baumann in den 70er-Jahren im Einsatz war.

Pater Pirmin Mayer OSB

Bereits 2022 habe ich bei meinen Benediktinermitbrüdern in El Rosal in Kolumbien mitgeholfen, eine Weidefläche aufzuforsten. Damit war mein Interesse an Missionsprojekten geweckt. Auf der Suche nach einem neuen Einsatzort im Sommer 2023 stieß ich auf die Comboni-Schwestern, die im Norden Ecuadors in Santa Maria de los Cayapas eine Schule führen und in der Pfarrseelsorge mitarbeiten. Da ich selbst Religionslehrer an einer landwirtschaftlichen Fachschule bin, ist mir sofort ins Auge gesprungen, dass diese Schule auch einen landwirtschaftlichen Schwerpunkt hat. Die Comboni-Missionare in Ellwangen, das nahe meiner Heimat liegt, vermittelten mir den Kontakt zu Mike Zipf, der vor Ort in Ecuador ist. Ein Tipp, der sich für mich noch mehr als hilfreich erweisen sollte.

Pater Pirmin auf dem Weg nach Santa Maria in einem Motorkanu. Foto: privat

Anreise mit Tücken
Für die Anreise von Europa nach Santa Maria benötigt man ein Flugzeug, ein Auto oder Bus und schließlich ein Motorkanu, das einen von Borbón über den Flussweg an das Ziel bringt. Ohne die Hilfe von Mike Zipf hätte meine Reise spätestens hier geendet. Wer hier niemanden kennt oder nach Fahrplänen oder Ticketschaltern sucht, kann umkehren. Auf der Kanufahrt sieht man am Flussufer rechts und links mehr oder weniger große Dörfer und Siedlungen. Der größte Teil der Orte besteht aus Holzhäusern, statt eines Fensters hängt ein Fliegennetz in der Öffnung.
Santa Maria ist der Hauptort mit Bürgermeister, Pfarrkirche und zwei Schulen. Eine ist das „Colegio“, das von den Comboni-Schwestern geleitet wird. Die Schüler und Schülerinnen kommen aus Santa Maria und den umliegenden kleineren Orten. 15 Lehrkräfte unterrichten knapp 200 Schüler im Alter von fünf bis 18 Jahren. Durch die Schulausfälle in den Corona-Jahren sind einige auch älter. Mich interessierte vor allem, was und wie hier im Fach Landwirtschaft unterrichtet wird. Die klimatischen Bedingungen lassen die Vegetation fast sichtbar wachsen. Es gibt keine Jahreszeiten, wie wir sie kennen, alles wächst das ganze Jahr über. Ich konnte allerdings auch die Grenzen dessen sehen, was die Schule bieten kann. Sie ist keine kirchliche Privatschule, sonst könnten sich die Familien den Schulbesuch nicht leisten. Der Staat finanziert mit und redet deshalb auch bei allen Entscheidungen mit. Und selbst, wenn man sich auf etwas geeinigt hat, ist noch längst nicht klar, ob es tatsächlich so kommt. Der abgelegene Ort ist für junge Lehrkräfte wenig anziehend, ein häufiger Wechsel ist vorprogrammiert, was die Motivation senkt.

Schulkinder beim Morgengebet in Santa Maria de los Cayapas, Ecuador. Foto: privat

Während meines Aufenthalts haben mich die Schwestern natürlich auch für die Messfeiern als Aushilfe für ihren Pfarrer eingespannt, was bei meinem schlechten Spanisch nicht ganz leicht war. Sonntagfrüh und abends habe ich täglich die Hl. Messe „gelesen“ – im wahrsten Sinn des Wortes.

Fehlende Infrastruktur
Die Bevölkerung am Flussufer setzt sich aus Afroecuadorianern und mehreren indigenen Stämmen zusammen, die zum Teil eine eigene Sprache haben und nicht gut Spanisch sprechen. Das Zusammenleben ist nicht immer leicht. Die Perspektivlosigkeit und schwierige Familiengeschichten fördern Aggressionen, was ich auch in der kurzen Zeit meines Aufenthaltes mitbekommen habe. Der Alltag der meisten Familien beschränkt sich darauf, jeden Tag über die Runden zu kommen. Ein Vorausplanen oder Sparen auf etwas ist kaum möglich. So arbeiten heute die Enkel wie schon früher ihre Großeltern. Die Wirtschaft wird von ausländischen Investoren bestimmt. Es entstehen riesige Plantagen mit Ölpalmen, die alle Arten von Baumkrankheiten ins Land bringen, daneben Gewächshäuser für Blumen, die Unmengen chemischer Mitteln brauchen.

Inzwischen können die Einachs-Schlepper, hier noch in der Werkstatt zu sehen, mit ersetzten Ölpumpen wieder für Arbeiten auf dem Schulgelände benutzt werden. Foto: privat

Leben am Fluss
Weiter oben am Flusslauf befinden sich einige illegale Goldminen ausländischer Investoren. Sie stellen einheimische Männer zu schlechtem Lohn ein. Weil es keine andere Arbeit gibt, nehmen diese die Arbeit an und verseuchen mit den giftigen Abwässern aus den Minen das Flusswasser. Trotzdem müssen sich in diesem Wasser alle waschen, die kein Bad im Haus haben – und das sind sehr viele. Trinken kann man das Wasser natürlich nicht mehr; so müssen alle Regenwasser sammeln, um Trinkwasser zu haben. Nicht alle Haushalte können sich eine Zisterne leisten oder einen Tank, sie trinken dann aus der Regentonne. Elektrizität gibt es zwar im ganzen Flusstal, doch fällt der Strom oft aus – „mein“ längster Stromausfall dauerte 35 Stunden. Auch die Internetverbindung ist sehr löchrig.
Durch fehlende Infrastruktur und fehlendes Kapital entstehen in der Gegend auch keine Betriebe. Ein Meilenstein für die Region wäre es, wenn es die Möglichkeit der Lebensmittelproduktion für Kakao oder Früchte vor Ort geben würde. Der Ertrag für die Rohprodukte ist für die Bauern und ihre Familien existenzgefährdend niedrig.
Die Schule in Santa Maria besitzt zwei fast neue Einachs-Schlepper. Diesen fehlte aber der Ölfilter, der vielleicht acht US-Dollar kostet. Der nächste Händler ist über sieben Stunden mit Kanu und Autobus entfernt, der Hin- und Rückweg an einem Tag also nicht zu schaffen. Onlinebestellungen gibt es nicht.

Wieder in Aktion: Ein Einachs-Schlepper in Santa Maria, Ecuador. Foto: privat

Korruption
Dazu kommt, dass die Gewalt im Land meist durch Drogenclans und andere kriminelle Banden dramatisch gestiegen ist. Die gesundheitliche Versorgung ist auf einem schlechten Niveau. Korruption im Kleinen wie im Großen ist allgegenwärtig. Wer kein Geld hat, kommt kaum zu seinem Recht. Gute Bildung ist teuer und damit für viele nicht erreichbar. Das demotiviert die jungen Leute, sie sehen für sich vielfach keine gute Zukunft.

Gute Erfahrung
Was mir in Erinnerung bleibt, ist die Dankbarkeit und Herzlichkeit der Menschen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe. Ich war gerne in Ecuador, trotz Mückenstichen und der für Europäer gewöhnungsbedürftigen extremen Sonnenstrahlung. Bei der Abreise ging ich mit einem guten Gefühl und dem Vertrauen darauf, dass manchmal mit wenig Aufwand und Unterstützung in der Organisation etwas erreicht werden kann. Außerdem bin ich froh, durch diesen Besuch ein wenig Weltkirche erfahren zu haben. Mein Dank gilt allen, die geholfen haben, dass ich dort angekommen bin und noch mehr, dass ich wieder nach Hause gefunden habe.

Pirmin Mayer OSB

 

Nachtrag: Durch Spenden von Pater Pirmin und den Comboni-Missionaren konnte die Pfarrei ein neues Motorkanu (siehe Foto oben) anschaffen. Damit kann das Pastoralteam die entfernteren Gemeinden erreichen. Aber auch Baumaterial wird damit transportiert. Foto: privat