Zwei Ereignisse vor 80 Jahren prägten die Geschichte der deutschsprachigen Comboni-Missionare: Die Schließung des Seminars in Graz in Österreich und die Öffnung nach Peru. Ein Rückblick von Pater Reinhold Baumann:

1. Ein Ende großer Träume in Österreich

Als 1933 Hitler an die Macht kam, hielt es die Generalleitung der damals noch deutschsprachigen Kongregation für besser, das Generalat von Ellwangen nach Österreich zu verlegen, konkret nach Unterpremstätten bei Graz. Generaloberer war der Slowene Josef Musar aus Radice bei Ljubljana. (Von ihm ist im folgenden Beitrag die Rede). Ein Generaloberer aus einem Balkanstaat war in Nazi-Deutschland eher ein Handicap.
Doch die Geschichte holte sie ein. Am 16. März 1938, wenige Tage nach dem so genannten Anschluss Österreichs, wurde das Haus von der SA umstellt und Pater Musar herauszitiert. Pater Mönch, der damals auch dort war, erzählte, dass er und ein Mitbruder in panischer Angst einen Teil des Archivs in den Ofen steckten und verbrannten. Kritische Bemerkungen in einem Tagebuch oder in Briefen konnten gefährlich werden.
Dass die Gefahr wirklich bestand, zeigt das Schicksal von Pater Josef Hornauer, der damals in Graz war. Auf die Frage eines Kindes, ob die Feindesliebe auch den Engländern gegenüber gelte, antwortete er mit Ja. Er wurde angezeigt und verbrachte fast fünf Jahre im KZ in Dachau.

Das Seminar in Unterpremstätten – Gruppenbild von 1932

Die Schließung des Seminars
Der große Schlag kam am 12. September 1938. Das große Seminar in Unterpremstätten mit fast 130 Schülern, das größte der Kongregation damals, musste geschlossen werden, das Gebäude wurde beschlagnahmt. 21 der damaligen Novizen und Theologiestudenten stammten aus diesem Seminar. Man durfte also viel von ihm erwarten. Das alles war jetzt zu Ende. Von den erwähnten 21 jungen Mitbrüdern sind etliche im Krieg gefallen. Solche, die nach dem Krieg in die Kongregation zurückkehren und weiterstudieren wollten, konnten dies als Österreicher in keinem der beiden Studienhäuser, weder in Bamberg noch in Brixen, tun. Sie wurden Priester der Diözese oder anderer Ordensgemeinschaften.

Nach dem Weltkrieg
Das Haus war nach dem Krieg noch lange von den Siegermächten besetzt und wurde erst 1947 in einem desolaten Zustand zurückgegeben. Es konnte nicht annähernd an die Blütezeit vor dem Krieg anknüpfen. 1989 wurde das Seminar nach Messendorf verlegt und das Haus verkauft. Ein Jahr später wurde es überhaupt geschlossen.
Wir wissen nicht, wie es ohne diese erzwungene Schließung weitergegangen wäre. Doch damals deutete vieles auf eine erfolgversprechende Entwicklung hin. Dass sie so abrupt gestoppt wurde, war für die damaligen Mitbrüder umso bedauernswerter, weil sie in Erinnerung hatten, dass die deutschsprachigen Comboni-Missionare ihre Wurzeln zunächst im österreichisch-slowenisch-südtiroler Raum hatten.

2. Ein neues Arbeitsfeld in Peru

Auf der anderen Seite der Welt aber, in Peru, war 1938 ein Neuanfang. Anfang des Jahres klopfte der aus Tirol stammende Priester Hugo Ranzer im Auftrag des Bischofs von Huánuco bei Pater Musar an. Er suchte Seelsorger für eine Auswandererkolonie im peruanischen Urwald, in Pozuzo. Es waren die Nachkommen von etwa 300 Auswanderern aus Nordtirol und dem Hunsrück, die 1857 aufgebrochen waren und sich dort am Ostabhang der Anden niedergelassen hatten. Sie hatten einen jungen Priester mitgebracht, Josef Egg, der inzwischen verstorben war. Auch sein Nachfolger war bereits gestorben.

In prekärer Situation
Für Pater Musar kam die Anfrage nicht ganz ungelegen, denn in Deutschland wurde die Lage für die Kongregation immer prekärer und auch die Zukunft der großen deutschsprachigen Niederlassung in Brixen im inzwischen italienisch und faschistisch gewordenen Italien stand in diesen Jahren auf der Kippe. Und selbst im Missionsgebiet in Südafrika waren deutsche und österreichische Missionare nur bedingt willkommen. Auch da drohte die Stimmung zu kippen. Ein weiteres Standbein in einem katholischen und traditionell deutschfreundlichen Land wie Peru konnte da vielleicht von Vorteil sein.

Gründungsmitbrüder – Von links: Pater Alois Ipfelkofer, Pater Michael Wagner und Pater Andreas Riedl

Aufbruch in letzter Minute
Drei Mitbrüder machten sich also auf den Weg: Der 53-jährige Pater Alois Ipfelkofer aus Mirskofen bei Landsberg, der 35-jährige Pater Andreas Riedl aus Jodok am Brenner in Österreich und der 26-jährige Neupriester Michael Wagner aus Rißmannsdorf bei Cham im Bayrischen Wald. Sie brauchten damals noch mehrere Tage zu Fuß und mit dem Pferd, um nach Pozuzo zu gelangen. Weitere Mitbrüder waren bereits bestimmt, doch sie konnten wegen des Krieges nicht mehr ausreisen.
Eigentlich wollten und sollten sie zu dritt dort leben und arbeiten – im Gebiet leben auch zahlreiche Indios – aber sie wurden bald vom Bischof von Huánuco zu Hilfe gerufen. Im Priesterseminar hatte es Unregelmäßigkeiten gegeben, und der Apostolische Nuntius drohte mit der Schließung. Darum gingen zunächst Pater Riedl und dann auch Pater Wagner als Professoren und Erzieher ans Seminar. Pater Ipfelkofer blieb lange Zeit allein in Pozuzo. Wegen des Krieges blieben die Mitbrüder praktisch zehn Jahre fast ohne Verbindung nach Europa. Immerhin, sie mussten nicht in den Krieg, und für den Unterhalt sorgte die Gemeinde, die froh war, Seelsorger zu haben.

 

In Tiroler Tracht – Bis weit in die 50er-Jahre trugen die Leute aus Pozuzo die Tracht aus der alten Heimat.

Wie es weiterging
Pater Ipfelkofer starb am 25. März 1948. Im selben Jahr kamen die ersten neuen Patres, Pater Anton Dettling und Pater Konrad Lohr, nach Peru. 1952 erhob der Generalobere, Pater Johann Deisenbeck, Peru zu einem eigenständigen Missionsgebiet, dem zweiten nach Südafrika, und regelte die Zusammenarbeit mit dem Bischof von Huánuco in einem Vertrag. Inzwischen waren andere Mitbrüder gekommen, unter ihnen die späteren Bischöfe Anton Kühner und Lorenz Unfried.
Heute arbeiten 55 Comboni-Missionare in Peru, davon stammen noch neun aus der Deutschsprachigen Provinz. Insgesamt gibt es inzwischen 35 Comboni-Missionare, die aus Peru stammen. Zu ihnen gehören der Bischof von Huánuco und der Provinzobere von Peru. Man darf also von einer Erfolgsgeschichte nach bescheidenen Anfängen sprechen.
Die Öffnung nach Peru war auch die erste der Comboni-Missionare nach Lateinamerika überhaupt. Es folgten Mexiko, Brasilien, Ecuador, Kolumbien, Chile, Nicaragua und Costa Rica. Das Engagement in Lateinamerika erweiterte auch den Horizont der Kongregation, die anfangs ganz auf Afrika eingestellt war.

P. Reinhold Baumann  –  Fotos: Comboni-Archiv