Liebe Verwandte, Freunde und Freundinnen,

bald geht ein bewegtes Jahr seinem Ende zu. Da möchte ich mich bei Euch mit einem herzlichen Gruß aus Südafrika melden. Bis Anfang Juni lebte ich noch in Rom und durfte eine intensive Sabbatzeit in unserem Comboni-Generalat absolvieren. Bis Ende September war ich dann in Ellwangen und Weikersheim, um Urlaub zu machen, auszuziehen und Abschied zu nehmen. Vielen von Euch durfte ich dabei persönlich begegnen, sodass ich Euch auch hier verbunden bin.

Seit 3 Monaten lebe ich nun in der Hauptstadt Südafrikas in unserem Geistlichen Zentrum mit folgenden 5 Mitbrüdern: P. Gordon Rees (52), ein Südafrikaner aus Pretoria, Br. Erich Stöferle (67) aus Ulm, Br. Francesco (76) und P. Aldo (84), beide Italiener, sowie Mina, unser ägyptischer Postulant aus Kairo, der bei uns Englisch lernt. P. Gordon ist unser Hausoberer sowie der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke, was in Deutschland „missio“ genannt wird.

Zunächst war ich davon ausgegangen, dass ich in einer Zulu-sprachigen Pfarrei im Raum Durban zum Einsatz komme, aber dann bat mich die Provinzleitung, die Missionarische Bewusstseinsbildung in Pfarreien, Schulen, Gruppen und unserem Freundeskreis, sowie die Werbung für unsere weltkirchliche Zeitschrift „Worldwide“ zu übernehmen. Das ist durchaus eine unserer Grundaufgaben als Comboni-Missionare und ich nehme sie mit Vertrauen und Gelassenheit als meine neue „Sendung“ an.

Im multikulturellen Pretoria bekomme ich nun einen völlig anderen Blickwinkel auf die Situation der Kirche und des Landes als bei meinem 1. Einsatz im abgelegenen Mount Ayliff beim Volk der Xhosa. Es ist schon befremdend, dass wir hier umgeben sind von so vielen Sicherheitsdörfern mit 3-5 Meter hohen Mauern und Wachpersonal, von Shoppingzentren und Autobahnen. Das zeigt, dass die Unterschiede zwischen Armen und Reichen sehr groß sind und daher gibt es zu viel Kriminalität und Gewalt. Viele Menschen sagen mir, dass sie enttäuscht oder gar zornig sind auf die korrupte Regierung. Seit langer Zeit ist Präsident Jacob Zuma nicht mehr im Parlament erschienen. Er ist in Verruf geraten, weil er seine Privatresidenz in Nkandla (KwaZulu-Natal) zum großen Teil mit Steuergeldern von über 15 Millionen Euro erweitern hat lassen. Die Post streikt hier seit über 4 Monaten und funktioniert nicht. So bleibt nur die digitale Verbindung. Das staatliche Energieunternehmen „Eskom“ ist auch in der Krise und muss regelmäßig den Strom abschalten. Missmanagement hat seine Konsequenzen.

Wenn ich Menschen in Pfarreien, Schulen und zu Hause besuche, wird mir bewusst, dass es auch unzählig viele gut motivierte, ehrliche Menschen im Land gibt: kürzlich war ich zum Bußgottesdienst und zur Beichtgelegenheit eingeladen in eine Schule in Johannesburg. Anschließend gab mir die Religionslehrerin die Gelegenheit, mit mehreren Klassen ins Gespräch zu kommen über meinen Auftrag als Priester und Missionar, über unseren biblischen Glauben, über den Beitrag der verschiedenen Religionen in der Gesellschaft und über meine Heimat.

Als sogentannter „Mission Promoter“ war ich an 2 Sonntagen in der Township Mabopane (nördlich von Pretoria) um die Heimatpfarrei auf die Priesterweihe von unserem Mitbruder Kgomotso Sebopela vorzubereiten. Mein Predigtthema war die Berufung eines Christen zum Dienst in Familie und Gesellschaft. Am 22.11. hat dann unser Comboni-Bischof Joe Sandri P. Kgomotso zum Priester geweiht. Er wird künftig im Tschad als Missionar eingesetzt. Die Primiz von P. Kgomotso war sehr feierlich, fröhlich und intensiv. Umrahmt von vielen Gesängen und Ansprachen dauerte sie 6 Stunden am Stück bevor wir zum Mittagessen gingen.

Dann kam Besuch aus Tabankulu, meiner früheren Pfarrei: Nontombi, unsere langjährige Jugendleiterin, war zwei Tage bei mir, nachdem sie gerade ihr Psychologiestudium abgeschlossen hat. Ich bin stolz auf sie und betrachte sie als eine „meiner Töchter“, die ich mit Sr. Marwiga begleiten durfte. Im nationalen Priesterseminar haben wir Mvikeli aus Tabankulu besucht, der ins 5. Jahr der Ausbildung kommt. Er war mein eifriger Ministrant. Auch Father Bongani ist mir aus Kokstad vertraut. Wir führten gemeinsam Jugendwallfahrten durch und trafen uns fast jeden Montag bei Bischof William Slattery zum Mittagessen. Bongani unterrichtet nun Dogmatik am Priesterseminar und ist Ausbildungsleiter für die Seminaristen. Bischof William ist inzwischen Erzbischof von Pretoria geworden und lädt uns einmal monatlich zur Weiterbildung und Begegnung ein.

Seit Jahrzehnten besteht eine Verbindung der Combonis zur Deutschsprachigen Gemeinde in Pretoria. Deren Zentrum ist nur ca. 5 km entfernt und bald wurde ich zum Vortragsthema eingeladen: „Papst Franziskus über die Freude des Evangeliums und die missionarische Antwort unserer Deutschen Gemeinde!“ Gemeinsam besuchten wir mehrmals missbrauchte Kinder und Jugendliche im Heim.

Am 1. Advent war die Gemeinde bei uns im Comboni Centre zum Gottesdienst, zum Mittagessen und zum Empfang des Nikolaus. Nachdem Br. Erich als Nikolaus 28 Kindern eine persönliche Botschaft und ein Geschenk übermittelt hat, bekam Francesca, die 2. Vorsitzende der Gemeinde, noch eine herzliche Umarmung von ihm, denn sie feierte ihren Geburtstag.

So schaue ich mit Dankbarkeit und Zufriedenheit auf das Jahr 2014 zurück, denn ich habe ein neues Zuhause in Pretoria gefunden. Meine Mitbrüder und viele Menschen stehen mir bei. Jetzt im Advent befinden wir uns in der Vorbereitung auf die Geburt Jesu, auf das Kommen unseres Herrn. Es ist mir wichtig, mich im Gebet bewusst auf Jesus einzulassen oder wenn ich ihm im Mitmenschen begegne.

Jesus bringt Licht und Freude an die dunklen und bedürftigen Stellen meines Lebens. Er ermutigt mich, inne zu halten im Trubel des Alltags und nachzuspüren, was er mir persönlich mitteilen will. Jesu Umgang mit den Fragen des Lebens spricht mich an, lässt mich nachdenken über mein Verhalten. Was ist denn wirklich wichtig und was nicht? Worauf soll ich Wert legen? In der Begegnung mit Jesus erfahre ich Frieden, Geborgenheit, sowie Kraft und Mut, mich für Jesu Reich und seine Werte einzusetzen. Daher wünsche ich Euch und Euren Familien von Herzen die befreiende Begegnung mit Jesus Christus, die tiefe Freude über seine Geburt und sein Kommen in unsere Welt: Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein Gutes Gesundes Neues Jahr 2015!

Pater Günther