Selam liebe Freunde!

Die letzten Wochen waren unglaublich „voll“ und intensiv. Ich werde versuchen, euch diese „Fülle“ der Ereignisse der letzten Zeit zu schildern…

„Unser“ Weihnachten (internationales Weihnachten)…

Unser/ Euer Weihnachtsfest war ja zwei Wochen vor dem äthiopischen Weihnachten. Ich kam also in den Genuss, zweimal – und zwar auf unterschiedliche Weise – Weihnachten feiern zu dürfen!

Gemeinsam mit Eva und Johanna (zwei deutschen Volunteers, die mittlerweile wieder in Deutschland sind) beschloss ich, unseren äthiopischen Freunden und den Volunteers aus anderen Ländern unsere deutsche Weihnachtstradition nahe zu bringen. So feierten wir also am Heiligabend bei mir im Haus mit etwa 20 „bunt gemischten“ Leuten . Wir sangen gemeinsam Weihnachtslieder, Eva und Johanna begleiteten mit Geige und Klavier oder Trompete, aßen deutsches Essen + Plätzchen (Bredla, die wir bereits im Vorfeld fleißig gebacken haben) und tranken Glühwein. Irgendwann haben dann die Äthiopier die Sache in die Hand genommen und es wurden amharische Lieder gesungen und getanzt. Ab und an war ich allerdings doch in Gedanken bei meiner Familie, die natürlich zur selben Zeit versammelt unterm Christbaum saß…!

Das äthiopische Weihnachtsfest…

Ich /wir waren also schon einige Tage vor dem äthiopischen Fest in weihnachtlicher Stimmung. Schon zwei bis drei Wochen vorher haben wir für die Kinder Geschenke eingepackt, was eine ganz schöne Fließbandarbeit war, wie man sich bei 400 Kindern vorstellen kann!

Am letzten Schultag wurde von der Schule aus Weihnachten gefeiert! Alle Kinder haben unterschiedliche Programmpunkte einstudiert. Und so durften wir am Freitagvormittag ein buntes Programm an Liedern, Tänzen, Krippenspiel, Spielen… genießen!

Heiligabend war dann ein ganz besonderer Tag! Ich wusste schon, dass die Bescherung am späten Nachmittag sein sollte. Alle Kinder würden sich draußen versammeln und Pater Giovanni sollte als Santa Claus verkleidet die Geschenke verteilen… gut. Dann aber kam am Vormittag unsere Oberin Sister Jan Maria auf mich zu und meinte, ich solle eine Art „lebendiges Krippenspiel“ mit den anderen Volunteers organisieren (Maria und Josef, Engel, Musikanten…) Die Kinder sollen es genießen!! Das war wieder mal in letzter Minute! So habe mich also ans Werk gemacht, alle Leute zusammengetrommelt, Kostüme organisiert…!

Und siehe da, um fünf Uhr nachmittags kamen Santa Claus (Pater Giovanni) und Mrs Claus (Christine, USA), gefolgt von Maria (mir) und Josef (Francesco, Italien) + zwei israelischen Engeln die Treppen herunterspaziert. Musikalisch begleitet wurde das ganze Spektakel von den deutschen Engeln Eva und Johanna!! Überrascht wurden wir dann alle von Sister Jan Maria, die im Clownskostüm hinterher gerannt kam! Die Kinder hatten eine Riesenfreunde. Schließlich „durften/mussten“ alle Kids das Jesuskind auf meinen Armen auf die Stirn küssen und haben dann danach ihre Geschenke vom Santa Claus erhalten. Sister Jan Maria hüpfte immer um mich rum und lachte und sagte „Jesus meta“ (=Jesus ist gekommen!). Durch ihr „Clownsein“ und ihr Hüpfen wollte sie die Kinder einfach fröhlich machen und ihnen die Freude über Jesu Geburt vermitteln. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, aber selbst unsere Teenager-Jungs haben dem „Jesuskind“ ohne zu zögern einen Kuss auf die Stirn gedrückt! Das war eine unbeschreiblich fröhliche und ergreifende „Feier“!!

Danach haben die Kindern natürlich ihre Geschenke ausgepackt, zufrieden gespielt und ihre Süßigkeiten gegessen. Wir (das Krippenspiel-Komitee) sind danach in den sickroom gegangen, wo unsere kranken Kinder sind, die nicht an der Feier teilnehmen konnten. Wir haben mit ihnen Lieder gesungen, die Geschenke verteilt und getanzt… allen voran natürlich Sister Jan Maria.

Abends um neun haben wir dann die Christmette gefeiert. Die Kinder waren sehr aufgeregt, da zumindest die Kleineren um die Uhrzeit normalerweise längst im Bett sind! Alle Kinder trugen ihre neuen Kleider (es ist eine Art Tradition in Äthiopien an Weihnachten neue Kleider zu kaufen) und waren auch unglaublich stolz darauf. Die Christmette war wunderschön! Die Kids haben so schön gesungen und getanzt… ich hab mir gewünscht, die Messe solle nicht vorüber gehen!

Im Anschluss daran wurden dann alle Schwestern und Volunteers von Pater Giovanni ins Seminar eingeladen. Dort wurde natürlich fröhlich weiter gefeiert! Es war eine total schöne Erfahrung, mit soviel „unterschiedlichen“ Menschen Weihnachten zu feiern!

Besuch der Mother General der Missionaries of Charity…

Der Januar war wirklich reich an Ereignissen! Die Mutter Teresa Nachfolgerin Mother General Sister Nirmala aus Indien hatte sich angekündigt! Sie verbrachte einige Wochen in Äthiopien, um all ihre Missionen zu besuchen (Die Missionaries of Charity haben 16 Häuser in Äthiopien!!)

Ihr könnt euch vorstellen, die Aufregung im gesamten Center war unglaublich groß! Unsere Sisters wollten natürlich alles „herausgeputzt“ haben.

Sie besuchte dann schließlich das gesamte Center und ließ, so glaube ich, keinen aus zu grüßen. Als sie mich in meiner Klasse besuchte, wollte Sister Jan Maria unbedingt, dass ich ein Singspiel mit ihnen mache. Und so habe ich schließlich Sister Nirmala eingeladen, mit meiner Klasse und mir „I’m singing in the rain“ zu singen und zu tanzen!! Das war echt eine witzige Situation!

Sister Nirmala hat eine richtig gütige und sanfte Ausstrahlung… wenn man sie so sieht, glaubt man gar nicht recht, dass sie eine Juristin ist.

Timkat…

Am 19. Januar fand unser Tauffest statt. Einmal im Jahr werden an diesem Tag alle „neuen“ Kinder getauft. Und so wurde allen katholischen Volunteers die große Freude zuteil, Taufpate zu werden. Ich wurde stolze Taufpatin von zwei wunderbaren Kindern: Meskerem (Mädchen, 8 Monate) und Negasie (Junge, 2 Jahre)

Negasie:

Negasie kam zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Berhane zu uns. So ziemlich alles was man über sie wusste war, dass sie Geschwister sind, HIV positiv sind und Tigrina sprechen (sprich eher aus dem nördlichen Äthiopien kommen). Es ist unglaublich schön zu sehen, wie stark die Geschwisterliebe der beiden ist (Obwohl sie doch noch sehr kleine Kinder sind)! So sitzt z.B. Berhane beim Essen neben seinem kleinen Bruder und „steckt“ ihm immer wieder was von seinem Essen in den Mund.

Negasie ist ein süßes kleines, sehr eigensinniges Kerlchen! Wenn ich ihn nach gemeinsam verbrachter Zeit wieder in sein dormitory zurück bringe, führt er jedes Mal ein herzzerreißendes Drama auf!… Da haben wir noch einiges vor uns!

Das Timkat-Fest (Taufe Christi) ist in der orthodoxen Kirche ein ganz besonderer Festtag, der vielleicht noch mehr als Weihnachten gefeiert wird. Auch bei uns war dieser Tag sehr sehr festlich und feierlich! Alle Kinder trugen traditionelle Gewänder. Insgesamt wurden 20 Kinder von uns getauft! Die Messe war sehr schön! Ich war allerdings oft damit beschäftigt, Negasie von Unsinn abzuhalten…was gar nicht so einfach war mit Meskerem auf dem Arm!

Meskerem:

Meskerem und ich haben eine ganz besondere Beziehung! Sie kam vor etwa zwei Monaten völlig unterernährt in unser Heim. Ich war total schockiert, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Sie war zwar ein kleines Baby, sah aber wie eine „verschrumpelte“ Greisin aus, die nur noch Haut und Knochen hat. Ganz im Gegensatz dazu hat sie wunderschöne, kleine, schwarze Löckchen! So ein Kind hatte ich noch nie gesehen. Und da sie eben sehr krank und zerbrechlich war, „zierte“ ich mich anfangs eher, sie aus ihrem Bettchen zu nehmen und zu tragen. Eines Abends war ich im sickroom und hatte ein Baby auf dem Schoß, als Sister Jan Maria an mir vorbei lief und meinte, wir (die Volunteers) sollten nicht nur die süßen Babys nehmen, sondern eben auch Meskerem. Ich erklärte ihr meine Scheu, dass ich eben nichts falsch machen möchte, mit diesem kleinen Wesen. Daraufhin meinte sie, grade Meskerem brauche besonders Wärme und menschliche Nähe. Von dieser Minute an verbinden mich besondere Bande zu diesem kleinen Mädchen!! Nach einigen Tagen bei uns im Heim hat sie auch an Gewicht zu gelegt, besser getrunken und sich zu einem wunderschönen Baby „verwandelt“! – Oh, sie ist übrigens negativ, das bedeutet sie ist nicht HIV infiziert!!!

Für mich war also natürlich völlig klar, dass ich Meskerems „Godmother“ (Taufpatin) werden musste!

Eine gute Woche nach dem Tauffest habe ich, als ich Meskerem auf dem Arm hatte, ein schweres Atmen bei ihr festgestellt. Und bereits einen Tag später, als ich sie wieder besuchen wollte, war sie bereits in unserem kleinen Krankhaus, im sickroom. Meskerem ging es unglaublich schlecht. Die Diagnose war leider: TB und somit Wasser in den Lungen, schwaches Herz und Bedarf von Sauerstoffversorgung!! Ich glaube ich kann die folgenden 10 Tage nicht in Worte fassen… es war ein einziger Kampf mit dem Tod. Es ist unbeschreiblich, was dieses kleine Wesen erleiden musste und welche Schmerzen sie durchgestanden hat. Rein klinisch gesehen, war sie laut unserer Ärztin dreimal bereits tot ( z.B. Sauerstoffwert unter 50, eigentlich kein Leben mehr möglich, Meskerem hatte einen Wert von 37!)! So habe ich die Tage und Nächte meistens im sickroom verbracht! Es war ein Auf und Ab…ging es ihr einen halben Tag gut, so war die Nacht wieder schrecklich! Jeden Abend kamen alle Schwestern und sprachen ein Gebet an ihrem Bettchen. Sister Jan Maria verbrachte jede Nacht bei ihr. Jeder neue Morgen an dem sie wieder erwachte, war eigentlich ein Wunder! Und trotzdem war die eigentlich Ursache für ihr Leiden immer noch nicht klar! Eines Abends kam unsere Ärztin dann drauf…Windpocken im Gehirn…die Symptome stimmten damit überein. Daraufhin wurde sie darauf behandelt und es stellte sich von Tag zu Tag eine Besserung ein!

Wir sind alle hier davon überzeugt, dass sie ein kleines Wunder ist! Ich glaube, dass Gott noch etwas ganz besonderes mit ihr vor hat!!!

Mittlerweile geht es Meskerem viel besser! Sie braucht zwar immer noch künstlichen Sauerstoff und wird die nächsten Monate auf TB behandelt….ist aber außer Gefahr! Sie ist ein richtiger kleiner Sonnenschein! …und ich, ich werde nur noch „Meskerem innat“ (Meskerems Mutter) genannt!

Comboni-Workshop in Nairobi…

Letzte Woche bin ich nach Kenia zum MaZ (Missionar auf Zeit)-Workshop der Combonis gereist! Dort trafen sich alle Mazler, die im Osten Afrikas (8 aus Kenia, 1 aus Uganda, ich aus Äthiopien) „stationiert“ sind. Die meisten dieser Leutlein waren mir ja bereits wohl vertraut, da ich mit ihnen meine Vorbereitung bei den Combonis in Nürnberg verbracht habe!! So war es ein großes und freudiges Wiedersehen in Nairobi. Ein Wochenende lang haben wir über unsere Erwartungen und tatsächliche Erfahrungen im Einsatz reflektiert, ein Referat über afrikanische Kultur gehört, verschiedene Einsatzorte in Nairobi besichtigt, eine Comboni-Gemeinde + Gottesdienst sowie einen benachbarten Slum „besucht“! Es tat mir unglaublich gut, mich mit meinen Freunden auszutauschen, zu sehen, dass sie teilweise gleiche Erfahrungen machen und zu hören, wie sie mit manchen Problemen umgehen! Außer uns „Combonis“ waren noch drei „Pallottiner“ dabei, die an Schulen in Kenia arbeiten. Die Drei haben keinerlei Kontakt zu Pallottinern in Kenia, sprich wurden einfach so zum Einsatz geschickt, aber niemand kümmert sich um sie. Das ist echt der Hammer. Da sind wir Combonis echt bereits total gut vorbereit gekommen und werden auch hier im Einsatz gut betreut (und auch in Nairobi sind wir alle herzlich willkommen gewesen!!)! An dieser Stelle ein herzliches „Dankeschön“ an unsere Combonis + Comboni-Family!!!!!

Nairobi ist verglichen mit Addis echt etwas „ganz anderes“!!! Das Stadtzentrum ist sehr westlich geprägt mit großen modernen Gebäuden. In manchen Stadtteilen könnte man meinen, man ist in einer europäischen Großstadt. Außerdem fiel mir sofort auf, dass es hier wesentlich mehr „Weiße“ gibt als in Addis. Ich denke die Kolonialzeit hat eben überall, auch im Stadtbild ihre Spuren hinterlassen…

Als ich dort in einem großen Supermarkt war, konnte ich meinen Augen nicht trauen, was es dort alles gab! Ein Produkt gab es etwa von zehn unterschiedlichen Herstellern! Solche „Einkaufshallen“ findet man in Addis nirgends!! Das Merkwürdige daran ist, dass ich solche Läden von Deutschland her ja kenne und ich trotzdem so seltsam reagiert habe. Vielleicht kann ich mir jetzt ungefähr vorstellen, wie schockiert z.B. ein Äthiopier sein muss, wenn er zum ersten Mal einen Supermarkt und die Fülle von Angebot in einem westlicheren Land sieht.

Allerdings ist das oben Beschriebene von Nairobi nur die halbe Wahrheit. Ich glaube, was Nairobi wirklich ausmacht, sind seine krassen Widersätze. So gibt es neben dieser reichen Seite auch eine sehr trostlose, traurigere und viel, viel ärmere Seite…die Slums in der Stadt. Dort leben Menschen unter nicht vorstellbaren Bedingungen, hausen mit ihren Familien und müssen jeden Tag aufs Neue schauen, wie sie den kommenden Tag überleben.

Bedingt durch diese große auseinanderklaffende Schere von Arm und Reich herrscht in Nairobi eine große Kriminalität.

Die restlichen Tage habe ich mit einigen meiner MaZ-Freunden verbracht (u.a.: Tour zum Lake Naivasha: Zelten, Bootsfahrt mit Hippos, „Wandersafari“ mit Zebras, Giraffen, Gazellen, Kamel, Flamingos, Seeadler…, frischen Fisch gegessen, spannende Gespräche mit unserem Guide…das war echt Erholung pur!!!)

Ansonsten…

Nun bin ich also wieder hier in Addis und freue mich auf die kommende Zeit! Hier sind noch ein paar kleine Infos, die an die früheren Mails anschließen:

  • Mein kleiner Freund Abel ist nun seit etwa sechs Wochen im dormitory der Jungs und eben nicht mehr im sickroom . Er ist unglaublich stolz darauf…und ich auch! Ich denke, für ihn ist es so wichtig, ein annähernd „normales“ Leben zu führen. Und nun ist er inmitten der anderen Jungs und „genießt“ nicht mehr zu viel Aufmerksamkeit, sprich ist eben integrierter!
  • Inzwischen putzen alle Kinder der 9 Klassen im Center morgens ihre Zähne!!!
  • Seit einigen Wochen ist Sister Assunta in Addis. Sie ist eine äthiopische Comboni-Schwester, die auch in Nürnberg gearbeitet hat. Mit ihr und Sister Teibe habe ich vor meiner Ausreise ein wenig Amharisch gelernt! – Ich freue mich total, dass sie hier ist! Auch wenn wir uns nicht so regelmäßig sehen, ist es schön zu wissen, dass sie da ist!

Seid ganz herzliche gegrüßt von Eurer

Christine