Liebe Freunde in der Heimat,

… Ein persönlicher Höhepunkt war der Besuch meiner beiden Brüder Andreas und Johannes. Sie sind Ende März angereist, um Karwoche und Osterfeiertage mit mir zu verbringen. Die liturgischen Veranstaltungen haben wir meist in einer von uns Comboni-Missionaren geleiteten Pfarrei am Rande eines Elendviertels Nairobis mit gefeiert. Wir sind aus Sicherheitsgründen unter Begleitung eines einheimischen Freundes durch ein Elendsviertel gelaufen und haben dabei die miserablen Lebensverhältnisse der Bewohner aus nächster Nähe erfahren können. Natürlich ist da nicht nur materielle Armut. Weitaus gefährlicher sind Probleme wie Gewalt, Drogen, mangelnde Hygiene, Krankheiten, Arbeitslosigkeit usw. Das ist auch der Hauptgrund dafür, dass Nairobi eine extrem hohe Kriminalitätsrate aufweist und zu den gefährlichsten Städten der Welt zählt. Passanten werden für 10 Euro auf offener Straße erschossen, Autos samt Insassen gekapert. Einbrüche enden nicht selten mit Vergewaltigung und Mord. Die nötigen Waffen leihen sich die Gangster zumeist von den schlecht bezahlten Polizisten. Der Volksmund hat Nairobi längst schon in „Nairobbery“ (robbery = Räuberei) umbenannt.

Die gemeinsamen Tage waren für uns alle sehr intensiv und bleiben sicher unvergesslich. Was jedoch am stärksten in Erinnerung bleiben wird, ist die enorme Kluft zwischen arm und reich, die man hier wahrnehmen kann und die immer größer und größer wird.

Die meiste Zeit der vergangenen Monate habe ich in einem unserer Ausbildungshäuser verbracht. Da der verantwortliche Erzieher der Studenten abwesend war, bin ich gebeten worden, die fünf jungen Sudanesen zu begleiten. Natürlich war dies hilfreich, um mein Englisch aufzufrischen. Zugleich habe ich durch diese Erfahrung besser verstanden, wie tief die Wunden des über 20 Jahre langen Bürgerkrieges im Sudan eigentlich gehen. Fast alle der Studenten haben in ihrer Kindheit aus ihrer Heimat fliehen müssen. Ihre Familien sind überallhin verstreut worden. Eltern, Geschwister, Verwandte und Freunde sind zum Teil getötet worden. Den Großteil ihrer Kindheit haben sie in Flüchtlingslagern in Uganda verbringen müssen. All das ist natürlich nicht spurlos an den jungen Menschen vorüber gegangen. In ihren Herzen hat sich viel Angst, Wut und Hass aufgestaut, was die Ausbildung zum geweihten Leben nicht gerade leichter macht.

Meine Zeit in Nairobi neigt sich dem Ende zu. Anfang Juni geht es in den Sudan. Zunächst werde ich in Juba, der Hauptstadt des Südsudans, versuchen, die lokale Sprache „Bari“ zu erlernen. Meine erste Mission wird nämlich in einem Gebiet sein, wo ein Bari sprechendes Volk lebt. Die Angehörigen dieser Volksgruppe nennen sich „Mundari“. Die Missionsstation heißt „Tali Post“. Sie liegt am Rande der Erzdiözese Juba. Vor etwa 50 Jahren haben einige Comboni-Missionare sich dort angesiedelt und sind dann 1964 vertrieben worden. Nun wollen wir die Mission wieder eröffnen. Und ich darf dabei sein…

In Verbundenheit

Pater Markus Körber

Pater Markus Körber aus Pottenstein (Fränkische Schweiz) arbeitet im Süd-Sudan in Tali Post, Erzdiözese Juba. Aus verschiedenen Gründen hielt er sich zuvor in Nairobi/Kenia auf. Vor einiger Zeit, nach dem Besuch von zwei Brüdern schrieb er u.a. seine Eindrücke von Nairobi (einige Monate vor den Unruhen Ende Dezember und in der folgenden Zeit!) in diesem Brief nieder.