Liebe Mitbrüder in den Häusern Nürnberg, Neumarkt, Ellwangen, Josefstal, Mellatz, Graz, Brixen,
schon wieder geht’s auf Weihnachten zu. Kein Grund zu erschrecken „wie doch die Zeit vergeht“, sondern Euch zu grüßen und meine besten Wünsche zum Fest des Friedens und der Versöhnung zu senden. Gott will bei uns ganz unten auf Erden in aller Einfachheit ankommen; eine Erinnerung an uns, auch auf den „Boden zu kommen“.
Ich schreibe aus meiner unruhigen Situation im Südsudan in Eure auch nicht gerade ruhige Zeit. Die Welt ist aufgemischt und steht vielerorts Kopf. Ein wirklicher Friede, der ja Menschsein erst möglich macht, ist anscheinend für viele Menschen in unendliche Ferne gerückt und wenn wir nicht aufpassen, dann bestimmen Unsicherheit und Angst (vor der Zukunft) unsere Gefühle; eine Mischung, die uns gar nicht weiter hilft und gut tut. Das Frohe und die Hoffnung verschwinden dann allzu leicht aus unserem Leben und die „Wüste“ bekommt Raum in uns. Wir wollen aber festhalten an der Hoffnung.
Der Bürgerkrieg hier im Land und der Terrorismus weltweit leben von der Rache. Aber wer hat schon die menschliche Größe, der Schwächere zu sein und die Spirale der Gewalt zu überwinden? Ein Mann, der beim Terroranschlag in Paris seine Frau verloren hat, sagte: „Meine Rache bekommen die Terroristen nicht, denn davon leben sie.“ Die Rache ist auch der Motor des Krieges.
So oft habe ich im zu Ende gehenden Jahr erlebt, dass eine Versöhnung nur schwer möglich ist. Dabei ist sie doch die einzige Alternative, damit das Leben weitergeht. Ohne Versöhnung ist die Vergangenheit immer die Gegenwart und das Leben wird arm. Das höchste Gut in unserem Glauben ist die Versöhnung, die auf Liebe und Wahrheit aufbaut. In den Flüchtlingslagern hier am Stadtrand, wo trotz der Versorgung durch die UN, nach zwei Jahren noch immer keine Perspektive zu sehen ist, stelle ich fest, dass der erste Schritt zu einer Versöhnung dann geschieht, wenn die Lage und das Leiden der Betroffenen wahrgenommen und anerkannt wird. Der Weg zum Frieden ist eben kein Kippschalter, sondern ein Prozess. Jeder will ernst genommen werden und die ausgesprochene Wahrheit, die hier oft leidvoll ist, ist Voraussetzung für jede Heilung.
Hunderte von Organisationen hier im Land bemühen sich – Gott sei Dank – um die vielfältigen Notlagen. Jedoch tut kaum jemand etwas für eine wahrhaft menschliche Entwicklung, denn das braucht Zeit, Kenntnis der Menschen und der Lage und unendliche Geduld. Kaum eine Einrichtung setzt sich mit den Menschen und ihren zum Teil „hausgemachten“ Problemen und ihrer Perspektivlosigkeit auseinander. Natürlich wissen wir, dass die Herausforderungen sehr groß sind: Die Feindschaft, der Hass und das Misstrauen unter den verschiedenen Volksgruppen sind groß. Es gibt wenig Verständnis für das Gemeinwohl. Eine allgegenwärtige, militärische Arroganz und Härte prägen das Bild des Landes.
Es kann nicht sein, dass Konflikte, Verachtung und Ehrenkränkung immer nur mit Waffen ausgetragen werden. Die Versöhnungskraft unseres Glaubens an Christus, auf den sich ja viele hier berufen, ist keine fromme Idee, sondern ein Ausweg, wo sich alle anderen Wege verschlossen haben. So wollen wir festhalten an der Hoffnung, die uns Weihnachten auf’s Neue bringt, nämlich wahrhaft menschlich zu werden.
Das Friedensprojekt der Ordensgemeinschaften ist ca. 15 km von Juba entfernt, nahe wo der Fluss Kit in den Nil mündet. Auf dem ehemaligen Land der Comboni-Missionare entsteht das Friedenszentrum mit Konferenz-, Tagungs- und Unterkunftsmöglichkeiten für ca. 120 Personen. Für die Finanzierung des Zentrums haben sich Bischofskonferenzen, Diözesen und Hilfswerke stark gemacht. Klassische Spenden kommen hier nicht zum Einsatz. Es war das Anliegen der Orden, alle Unterstützer/Diözesen und Hilfswerke mit in die Mission in den Südsudan zu nehmen und ist denke, dass es gelungen ist.
Friedensarbeit durch schulische Bildung und Gemeindebildung
Wir sind hier 50 Comboni-Missionare, kommen aus allen Teilen der Welt und sind an 10 Orten des Landes tätig. Mithilfe Eurer Spende konnte viel geschehen und geholfen werden: Schulprojekte (Bauten, Lern- und Lehrmaterialien und Schulgelder), Hilfe in den Flüchtlingscamps, Feldhacken und Saatgut für die Menschen in den unsicheren Gebieten von Unity- und Jonglei States. Nahrungsmittelhilfe, Fischernetze, Brunnen und Bau von Krankenstationen. Wichtig sind die Gemeindearbeit und der Aufbau von Pfarreien, als Ausangspunkt für all unsere sozial-karitative Arbeit sowie der Einsatz für Gerechtigkeit und Friede. Ein ganz herzliches Vergelt’s Gott für Eure großherzige und ehrliche Hilfe.
Ich selbst verbringe die meiste Zeit auf der großen Baustelle in Kit und anderen kleinen Projekten wie Schultoiletten, Straßenkinder „Drop in Center“, Regenwasserschutz für Gebäude und Anlagen etc. Zu kurz kommt die spirituelle Seite meines Missionseinsatzes. Dazu kenne ich die lokalen Sprachen zu wenig und auch an der Zeit fehlt es. Gern gehe ich aber in die Flüchtlingslager oder helfe ein wenig mit in der Jugendarbeit, immer in Hinblick auf Friedensförderung.
So wünsche ich Euch eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit. Für das Neue Jahr 2016 Gesundheit, Gelassenheit, Geduld, Freude, Frohsinn, Friede und Gottes reichen Segen. Machen wir es wie Gott, werden wir einfach Mensch. Oder anders ausgedrückt und mein Weihnachtswunsch: „Werde Mensch wie Gott, Menschwerdung nach dem göttlichen Wie“.
Euer Bruder Hans