Liebe Familie, liebe Freunde

Ich bin nun seit drei Wochen in Nairobi / Kenia und fühle mich sehr wohl. In dieser relativ kurzen Zeit habe ich sehr viel Neues erfahren (Fröhliches aber auch Tragisches), vieles erlebt, viele Menschen kennen gelernt, mir bisher fremde Speisen gegessen. Kurz: Ich habe eine sehr interessante Zeit erlebt!

Kivuli Center

Pater Kizito Sesana ist ein ca. 55 Jahre alter italienischer Comboni-Missionar, der seit 20 Jahren in Kenia ist und für einige Projekte in Nairobi verantwortlich ist, u.a. für das Kivuli Center. Seine Erscheinung gleicht der des Weihnachtsmannes, buscheliger weißer Vollbart, die Haare ein wenig lockig. Ein liebevoller und sehr interessanter Mensch, trotz langsamen Gang sehr sehr fit im Kopf !!!

Das Kivuli-Center befindet sich im Westen von Nairobi, in dem Stadteil Riruta Satelite. Es ist ein 7-Gebäude-Komplex mit eigenem Wasser-„Bohrloch“, welches die Bewohner des Kivuli-Centers aus 180m Tiefe mit absolut sauberem Trinkwasser versorgt.

Neben dem „Children-Department“, in dem 60 ehemalige Straßenjungen leben, gibt es im Kivuli-Center noch eine Krankenstation, in der Krankheiten festgestellt werden können und auch Medikamente verfügbar sind. Diese Krankenstation ist für alle da, auch für nicht-Kivuli-Bewohner. Dann gibt es noch einen Fair-Trade Shop (in dem afrikanische Kunst in Form von Schmuck, Skulpturen, Musikinstrumenten, etc. verkauft wird), einen Workshop (in dem ca. 30 afrikanische Handwerker Holz-Masken, -Skulpturen, -Trommeln, etc. für den Verkauf herstellen), eine Kantine und einen Basketballplatz. Zudem sind da noch 3 Gebäude für Büros und Wohnungen.

Unsere Wohnung hat 3 Zimmer + Flur/Küche + Bad. Sie ist zwar klein, aber sehr gemütlich. In der Wohnung ist alles was wir brauchen, inkl. warmes Wasser aus dem Wasserhahn. So fühle ich mich schon sehr wohl.

Children-Department

Nun will ich aber nochmal auf das „Herz“ des Kivuli-Centers zurückkommen: Das „Children-Department“.

Die 60 Jungen, die dort leben, haben eine Zeit auf der Straße gelebt, nachdem sie gezwungner maßen oder freiwillig von zu Hause ausgerissen sind. Die Gründe dafür können sehr unterschiedlich sein: Die Eltern sind zu arm um das Kind zu ernähren, es gibt Gewalt in der Familie, die Eltern des Kindes sind gestorben, ein oder beide Elternteile sind drogenabhängig, …

Die Jungen sind zwischen 6 und 17 Jahre alt und besuchen unterschiedliche Schulen in der Umgebung. Im Kivuli-Center sollen sie innerhalb von maximal 3 Jahren resozialisiert werden, damit sie in ihren Familien weiterleben können. Während die Jungen im Kivuli-Center leben, werden die Familien der Jungs von Kivuli-Sozialarbeitern besucht, damit sich die Sozialarbeiter ein Bild von der Situation zu Hause machen können. Auch wenn die Kinder wieder nach Hause zurückgekehren wird ihre Entwicklung von den Kivuli-Mitarbeitern beobachtet.

Ich genieße es sehr mit den Jungs zusammen zu sein. Obwohl sie schon so viel erleben mussten, kann man ihnen nichts anmerken. Sie benehmen sich wie ganz „gewöhnliche“ Kinder ihres Alters. Sie sind sehr lebendig und nie findet man sie gelangweilt.

Beachtenswert ist ihr Umgang miteinander. Wie Brüder helfen sie sich, spielen miteinander und teilen auch ihre Spielzeuge miteinander, seien dies Autoreifen, Steine, oder Selbstgebasteltes.

Aber natürlich gibt es auch zwischen „Brüdern“ Streit und kleine Rangeleien, aber nichts dramatisches.

Manchmal treffen sich alle 60 Jungen mit den Sozialarbeitern im Speiseraum um Konflikte, die untereinander herrschen, miteinander zu lösen. Dabei ist jeder sein eigener Anwalt und jeder kann seine Vision des Konflikts darstellen, bevor andere diese kommentieren. Es ist toll zu sehen wie selbstbewusst und ohne jegliche Scham die Jungen vor der gesamten Versammlung „ihre Reden“ halten können. Manche setzen sie auch ihre Mimik ein und verändern die Stimmlage. Wenn jemand redet sind alle anderen still. Echt toll anzusehen das Ganze, auch wenn alles auf Kisuaheli ist und ich kein Wort verstanden habe.

Auch fand ich es am letzten Freitag schön, als sie alle zusammen im Gebetsraum waren, aus der Bibel vorgelesen haben und 3 von ihnen ihre eigene kleine „Predigt“ gehalten haben.

Danach habe ich mir geschworen mehr Kisuaheli zu lernen um die Predigten der Jungen irgendwann auch zu verstehen. In Deutschland könnte ich mir nie vorstellen, dass ein 10jähriger vor 60 Jungen freiwillig das Evangelium interpretiert.

Die Jungen haben im Children-Department natürlich auch ihre Aufgaben. So gibt es bei jeder Mahlzeit einen Tisch, der für das Auftischen, Abräumen und Spülen zuständig ist. Zudem müssen die Jungen das Children-Department täglich fegen, ihre Kleidung selber waschen und ihre Schuhe putzen. Neben dem gibt es aber viel Freizeit, welche die Jungs meist zum Spielen nutzen bevor sie am Abend die Hausaufgaben machen.

Riruta Satelite

Der Stadteil, in dem sich das Kivuli-Center befindet, würde ich als Slum bezeichnen, da die meisten Unterkünfte, der hier lebenden 90.000 Menschen, aus Wellblech/ Holz bestehen und nur 20% der Straßen asphaltiert sind. Die restlichen 90% sind in einem sehr schlechten Zustand. Sie sind sehr uneben und bestehen entweder aus Staub und Löchern oder aus großen Steinen.

In Riruta Satelite gibt es kein Abwasser-System (Das Kivuli-Center ist da eine Ausnahme); die Menschen helfen sich selber mit kleinen Klo-Häusern. Stromleitungen gibt es hier auf jeden Fall. Wie viele Menschen jedoch letztendlich mit Strom versorgt werden kann ich nicht sagen. An manchen Stellen gibt es sogar Internet, wenn auch nur mit sehr sehr langsamer Leitung.

Alle Hütten/ „Kleinen Häuser“, die an den längeren Straßen von Riruta Satelite liegen sind kleine Läden oder einfache Marktstände. In den kleinen Läden gibt es alles wichtige, aber am meisten sind die kleinen Martktstände vertreten: Sie bieten Obst (Ananas, Bananen), Gemüse (Kartoffeln, Tomaten, Karotten) und manchmal Eier an.

Wir kaufen soviel wir können bei Marktständen ein, da es dort auch sehr günstig (für uns) ist. Eine Banane z.B. kostet umgerechnet 5 Cent, eine Ananas 60 Cent, eine Tomate 5 Cent.

Es gibt Metzger, die immer ein großes Stück Fleisch (ca. 1m) an einem Hacken im Schaufenster hängen haben. Es gibt viele kleine Friseur- und Kosmetik-Salons. Auch kleine Apotheken sind hier oft zu sehen und es gibt auch kleine Bars und „Restaurants“, mit afrikanischem Essen, Fritten oder Würstchen. Dann sind da noch Kioske, Süßigkeitenstände, Kohle-Stände, Elektro- und Fahrradreperatur-Serviceläden. Die Läden haben eine Breite von 3m, was aber vollkommen ausreicht. Sie haben Montag bis Samstags. von früh bis spät geöffnet. 1/3 der Läden haben auch Sonntags geöffnet. Sie wollen halt soviel Schillinge verdienen, wie sie es geht.

Menschen – Mentalität

Von einem erfahrenen italienischen Freiwilligen wurden wir mit folgendem Hinweis in Kenia begrüßt: „Man sagt, dass man hier erst 3 Jahre leben soll bevor man ein bisschen was sagen kann. Nach 5 Jahre kann man dann mitreden. Bis dahin soll man nur zuhören und beobachten.“ Das bezieht sich nicht auf die Sprache Kisuaheli sondern auf ALLES, das ganze Leben. Dieser gut gemeinte Rat nimmt einiges an Druck von einem, da es auf den ersten Blick so scheint, als laufe hier ALLES anders als in „Europa“.

Als Erstes ist mir aufgefallen, dass man hier eine andere Vorstellung und eine anderen Umgang mit Zeit hat. Man nimmt sich vielmehr Zeit für den Menschen, mit dem man gerade redet. Man kommt gar nicht auf die Idee auf die Uhr zu gucken, weil man vielleicht noch einen Termin hat oder so. Vielleicht hat man wirklich einen Termin, aber das ist nicht so wichtig. Man plaudert mit dem Gegenüber über dies und das. Zuspätkommen ist hier Tagesordnung. In den 4 Wochen, die ich jetzt hier bin, habe ich es noch nie erlebt, dass jemand NICHT mindestens 20 Minuten Verspätung hatte. Nach einer Zeit gewöhnt man sich daran und stellt sich schon drauf ein. Schade ist es aber dann nur, wenn man eigentlich auch etwas anderes machen könnte und 30, 40, 50 Minuten dann nichts macht außer Warten.

Ganz allgemein gibt es hier nur sehr selten so was wie Hektik, auch wenn es dann mal „in europäischen Augen“ angebracht wäre. Meetings, die für 1 Stunde eingeplant waren, können da schon 3, 4 Stunden dauern. Man lässt sich einfach Zeit und redet auch mal 20, 30 Minuten ohne Fortschritt über ein Thema herum.

Vorteil: Es geht sehr locker zu und man muss nicht immer 100% mit den Gedanken dabei sein.

Witzig ist es dann wieder, wenn man auf der Straße von kleinen Kindern „How are you?“ („Wie geht’s dir?“) gefragt wird. Meistens kennen die Kleinen gar nicht die Bedeutung dieser Frage, sie wissen nur dass man das halt „Weiße“ fragt, wenn man ihnen begegnet. Wenn man dann mit „Gut, und dir?“ auf Englisch oder Kisuaheli antwortet wissen sie nicht was sie anwtorten sollen und gucken einen nur an. Sehr nett! Noch witziger ist es wenn es mehrere Kinder gleichzeitig fragen, dann wird es ein richtiges Lied, oder wenn die Kinder anstatt „How are you“ „How allu?“ fragen . Sehr sehr süß…

Manchmal laufen sie einem hinterher, halten dir die Hand hin. Wenn man sie nimmt, ziehen sie sie weg und freuen sich, dass sie einen „Mzungu“ (Weißen) berührt haben. Aber manche wollen einfach ein Stück an deiner Hand mitgehen.

Was auf jeden Fall noch anders zu Deutschland ist, ist der Umgang mit Körperkontakt. Bei jeder Begrüßung und Verabschiedung werden die Hände geschüttelt, auch zwischen Frauen. Oft hält man die Hände dann noch länger zusammen.

Befreundete gleichen Geschlechts, ob Kind oder Erwachsene, halten sich manchmal auch beim Gehen die Hände. Was in „europäischen“ Augen erstmal nach einem Zeichen von „Homosexualität“ aussieht, ist hier ein Kontakt zwischen zwei Freunden. Schon oft habe ich Männer/Freunde Hand in Hand gesehen. Händchen haltende Paare dagegen sieht man hier nie.

Essen

Mit dem Essen bin ich hier sehr zufrieden. Mittags esse ich entweder im Children-Department, wo es traditionelle kenianische Küche gibt. Dort gibt es Gerichte wie Ugali (Maisbrei) mit Salat -oder- Reis/Kartoffeln mit einer Mischung aus Bohnen und Mais -oder- Chapati (Vergleichbar mit Pfannkuchen, nur fester) mit Brei. Oder ich esse Mittags in der Kantine, wo es manchmal sogar Fritten oder Fisch gibt.

Abends esse ich dann meistens mit den Jungs im Children-Department. Es ist schon bemerkenswert, wie viel diese Jungen essen können. Selbst die jungen, ca. 8 Jahre alt, bekommen einen Teller runter, der in Deutschland als große Erwachsenen-Portion bezeichnet werden würde. Ich nehme mir da lieber eine kleine Portion. Diese Kinder/ Jugendlichen kennen es nicht, dass man etwas auf den Teller zurücklässt. Als wir mal mit dem Baskteball-Team gefrühstückt haben wurden uns 6 Scheiben Toast mit Marmelade und ein Ei vorgelegt. Als wir der Menge wegen gestaunt haben, hat uns der Teamcaptain gesagt: „Das müsst ihr alles aufessen, da man so was hier nicht so oft bekommt.“

Sprache

Also mit Englisch kommt man hier sehr gut zurecht, daher gibt es selten Kommunikationsbarrieren. Wenn man Kenianer auf Kisuaheli begegnet, kann man gewisse zwischenmenschliche Barrieren übberbrücken, da es die Kenyaner sehr schätzen wenn man als „Europäer“ versucht Kisuaheli zu lernen.

Noch stehe ich mit dem Kisuaheli am Anfang, da ich in den ersten 4 Wochen erstmal allgemein orientieren musste, sodass ich keine Zeit gefunden habe. Tag für Tag steigt jedoch die Motivation fürs Lernen von Kisuaheli, da man soviel davon hört und dieses unbedingt gerne verstehen würde. Wichtige Floskeln wie Begrüßung/ Bedanken/ Verabschiedung, etc. konnte ich mir sich einprägen, da ich sie mehrmals täglich verwende, aber irgendwann würde ich mich auch gerne auf Kisuaheli unterhalten können.

Kirche – Glaube

Nun war ich dreimal im Gottesdienst einer katholischen Gemeinde, ganz in der Nähe des Kivuli-Centers.

Sonntags morgens gibt es 2 Gottesdienste, die beide sehr gut besucht werden; da bleiben nur wenige Plätze unbesetzt.

Wenn man dann noch bedenkt, dass es alleine in diesem Teil von Riruta Satellite noch viele andere „Kirchen“ gibt, dann ist das beachtungsvoll. „Kirchen“ in Anführungstrichen, da es keine offiziellen katholischen oder protestantischen sind. Alleine in einer kleinen Straße hier gibt es ca. 7 solcher großen Räume, in denen ihre Gründer jeden Sonntag predigen. Kizito, der Comboni-Missionar im Kivuli-Center, meinte mal: „An einem Tag verkauft ein Mann hier noch Bananen und am nächsten Tag eröffnet er seine eigene Kirche.“ In den meisten Fällen haben diese Kirchen-neugründungen eher wirtrschaftliche Hintergründe als wahrlich spirituelle.

Wenn ich sonntags morgen aufstehe höre ich entweder laute poppige Kirchenmusik, oder einen bestimmten Prediger, der von 9 Uhr bis 12 Uhr predigt, predig, predigt. Als ich mit einem Kivuli-Sozialarbeiter (Disterias) an seinem Saal und seinen lauten Boxen vorbeiging, sah ich innendrin höchstens 5 Leute. Da meinte Disterias scherzhaft: „Die einzigen Leute, die hier hingehen sind … seine Frau, seine Tochter, sein Sohn und bald kommt noch der Mann der Tochter dazu, wenn sie heiratet. “

Die Gottesdienste, die ich besucht habe waren sehr schön, auch wenn ich kein Wort verstanden habe ;-), da sie auf Kisuaheli gehalten werden. Da aber der (katholische) Gottesdienst vom Inhalt und auch von der Reihenfolge eigentlich genauso wie in deutschen katholischen Gemeinden ist, wusste ich schon um was es sich im Moment handelte und konnte so auf deutsch mitbeten. Die Lieder sind sehr fröhlich, „afrikanisch“ und man klatscht bei den Liedern mit und das Evangelium wird von einer Gruppe von ca. 20 Frauen und Männern tanzend und singend vom hinteren Teil der Kirche nach vorne gebracht. Die Kirche ist sehr schön, die Innenwände sind weiß bzw. dunkelgrün bemalt und mit Verziehungen und „kisuaheli-“ Schriftzügen beschmückt. Über dem Tabernakel z.B. steht „Leib und Blut Christi“ und über der Maria-Figur „Mutter Gottes“, soviel konnte ich noch verstehen …

Zur Kollekte werden mehrere Holzkästen in der Kirche aufgestellt. Ich finde bewundernswert, dass beinahe alle was reintun. Die Menschen hier haben wirklich sehr sehr wenig, aber dafür stellen sie dann noch etwas bereit, echt toll! Auch als letztens am Ende um eine weitere Spende gebeten wurde sind nochmal sehr viele nach vorne gegangen.

Religiöses findet man hier öfters im Alltag. So gibt es Läden, die etwas religiöses in ihrem Namen haben, wie z.B. ein Kosmetikladen namens „Jesus is my foundation-Boutique“ (= „Jesus ist mein Fundament- Boutique“), oder ein Laden mit Lebensmitteln namens „Psalm23“. Aber auch an/ in vielen Matatus/ Bussen gibt es Sprüche wie „I trust in Jesus“ („Ich vetraue Jesus.“).

Einmal ist ein Mann in den Bus zugestiegen, der beim ersten Eindruck mit seinem Anzug wie in Geschäftsmann aussah. Er saß vor mir und sprach sehr laut. Irgendwie schien er aber nicht mit seinem Nachbar oder in ein Handy zu reden. Als ich genauer hinsah, sah ich, dass er eine Bibel in den Händen hatte und Bibel-Passagen laut vorlaß und diese kommentierte, in Kisuaheli und Englisch. Er machte irgendwie einen verwirrten Eindruck. Die anderen Passagiere haben keinerlei Reaktion gezeigt, haben aber bestimmt zugehört, da er nicht zu überhören war. Nach dem Vorlesen sang er noch ein Lied, während er den Innengang entlangging und Geld einsammelte. Dann packte er seine Bibel in eine Art Aktentasche, bedankte sich und stieg aus.

Ein anderes Mal sah ich einen Mann in der Mitte eines wenig belebten Platz stehen. Er hatte ein Buch in der Hand predigte schreiend und sprang rum. Die Passenten würdigten ihn nur mit fragenden Blicken.

Alltag

In den ersten 3 Wochen hatten Andreas und ich noch keine Tätigkeit und genügend zu tun um uns erstmal einzuleben. Diese Wochen habe ich aber auch als besonders angenehm befunden, da wir überhaupt keinen Zeitdruck/ fast keine Verpflichungen hatten und somit die Umgebung + Straßen + Nairobi-City-Centre erkunden konnten.

Was auf jedenfall nennenswert ist, ist das Fahren mit dem Matatu. Ein Matatu ist ein „Kleinbus“/ Bulli, der bis zu 18 Leute auf engen Raum befördert. Der „Mittelgang“ ist ca. 20cm breit und wenn man aussteigen will, klopft man ans Fenster. Es gibt weder feste Haltestellen noch Fahplähne. Zu den Hauptverkehrszeiten (7.00-9.00 & 16.30-18.00) sind die Straßen voll von Matatus und „City Hoppern“ (Busse). Gerade die Autos haben da wirklich zu kämpfen, da Matatu-Fahrer gnadenlos sind.

Wenn sie Vorfahrt wollen, dann nehmen sie sie einfach – der andere bleibt sowieso stehen, will er nicht mit dem Matatu kollidieren. Bisher habe ich zwei Verkehrszeichen („STOP“ & „Kreisverkehr“) gesehen, Ampeln gibt es nur im Stadtzentrum, aber auf die sieht niemand. Als Passant wartet man einfach, bis sich genügend Leute am Straßenrand gesammelt haben, die über die gleiche Straße wollen und dann geht man los. Die Autos und Matatus halten dann an. Selbst Polizeiautos fahren nach diesen ungeschriebenen Regeln. An den befahrensten Stellen helfen aber auch Polizisten aus, indem sie den Verkehr dirigieren.

Man erlebt es echt als Erlebnis mit dem Matatu ins Stadtzentrum zu fahren. Als Andreas und ich das erste mal – inkl. Orientierungslosigkeit – einfach ins Stadtzentrum gefahren sind, waren wir sehr beeindruckt. Bei 35 Grad Hitze sind wir einer der Hauptstraße entlanggegangen. Tausende von Schwarz-Afrikanern!, entweder auf dem Weg von A nach B oder am Plaudern. An der Straßenseite mächtige und moderne Hochhäuser nach westlicher Standart, überall wo man hinguckt Läden (viele Klein-Elektronik-Läden), Institutionen, Banken, Schnellrestaurants, Bäckereien… an beiden Straßenseiten alle 20 Meter eine Palme. All diese Läden, sogar die kleinsten Bäckereien, haben ihre persönlichen Sicherheitsmänner. Es kommt einen so vor als arbeiten 30% der kenianischen Männer für Sicherheitsagenturen. In den 4 Wochen hier habe ich aber noch KEINE EINZIGE kriminelle Aktion bemerkt.

Das Stadtzentrum zeigt ein komplett anderes Bild Nairobis, vergleicht man dieses mit dem der Slums, z.B. Riruta Satelite.

Noch krasser wird es in anderen Stadtteilen, wo man schöne Anwesen mit großem Garten, Zufahrtstor und hohen Sicherheitszäunen sehen kann. Dort werden dann auch mit einer hohen Geschwindigkeit neue und schöne Mehrfamilienhäuser gebaut. Auch die Straßen in diesen Gegenden sind europäischer Standart. Da fragt man sich natürlich, wieso nichts in den Slums gemacht wird.

Nicht weit weg vom Kivuli-Center gibt es auch einen Supermarkt nach europäischen Standart(NAKUMATT= landesweite Supermarktkette), mit Einkaufsmall. Von außen und innen sieht er wie ein Supermarkt in Deutschland aus und hat auch viel im Angebot. Zudem bietet der Landen einen immensen Service. Er hat 7 Tage die Woche 24 Stunden auf, in jedem Regalgang stehen Mitarbeiter um Fragen zu beantworten, alleine die Obst/Gemüse-Abteilung hat 4 Mitarbeiter, u.a. einen der die Waage bedient, am Ende jeder Kasse steht ein Mitarbeiter um die Einkäufe in Tüten zu packen, am Eingang steht ein Mann, der einfach nur die Tür offen hält.

Was mich im NAKUMATT schokiert hat, war der Umstand, dass ca. die Hälfte der Artikel auf anderen Kontinenten produziert wird. Die billigste Schokoladentafel z.B. kommt aus Posen, Polen (1€), eine andere Schokolade kommt aus Malaysia, ihren Sitz hat die Schokofirma in den USA, der Transport wird von einer chinesischen Transportfirma getätigt. Schokolade aus Polen und Slowakei, Kaffee aus Brasilien, Kekse aus Irland und Dänemark – diese Liste könnte man noch seitenlang fortsetzten.

Gibt es in Deutschland nicht FAIR-TRADE-SCHOKOLADE bzw. Kaffee aus afrikanischen Ländern zu kaufen?

Wie kann es billiger sein, Schokolade aus (z.B.) Polen und Kaffee aus Brasilien zu importieren? Wird in Kenia nicht der weltweit beste Kaffee produziert?

Noch etwas zu diesem Thema: Auch in Kibera, eines der ärmsten Slums Nairobis, gibt es Kioske, in denen man originale Getränke der „Coca Cola Company“ kaufen kann. Werbebanner auf dem Kiosk werben: „Live on the Coke side of Live“/ “Lebe auf der Coke-Seite des Lebens”. Wie bitte?

Ein Item das man sehr oft sieht, ist das Handy. Viele besitzen schon ein Handy, welches man für verschiedenes nutzt. Neben dem telefonieren und Nachrichten schicken, kann man mit dem Handy Geld auf andere Handys (Simkarten) schicken und somit Geld transferieren. So wird es, besonders in den ländlichen Gegenden, wo die Menschen keine Bankinstitute besuchen können, als Bankkonto benutzt (M-Banking = Mobile-Banking wird dies genannt.). Zudem kann man das Handy auch als Internet-Modem verwenden: Dazu muss man das Handy per Kabel oder Infrarot mit dem Laptop verbinden. Diese Internetverbindung versuchen wir schon seit knapp 2 Wochen in unsere Wohnung zu bekommen (Probleme mit 2 falschen Kabeln, dem Anbieter und der Software, hier läuft vieles einfach anders/ langsamer, aber wir sind geduldig…)

Meine Tätigkeit

Nachdem wir, Andreas und ich, drei Wochen das Kivuli-Center kennen gelernt haben, sind wir mit dem Manager über mögliche Tätgkeitsfelder gekommen und haben so unsere Aufgabenfelder geklärt. Andreas wird den Kindern abends Matheunterricht geben und am Samstag einen Computerkurs anbieten.

Meine Aufgabe wird als „Youth-Coordinator“ (=“Jugend-Koordinator“) sein, die verschiedenen Kivuli-Jugendgruppen bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Neben den Sportclubs (Athleten, Basketball, Boxen, Fußball, Karate) gibt es noch eine Theatergruppe und eine Musikgruppe. Die Mitglieder dieser Gruppen kommen aus den Stadtteilen um das Kivuli-Center herum. Ich würde schätzen, dass insgesamt so ca. 300 Jugendliche eingebunden sind. Ziel dieser Gruppen ist es die Talente der Jugendlichen zu fördern und ihnen Aktivitäten anzubieten, damit sie auf der Straße nicht in kriminelle Kreise geraten. Die Jugendarbeit versucht auch die Jugendlichen in das Arbeitsleben zu integrieren/ begleiten. Ich sehe die Aufgabe als Jugend-Koordinator als große Herausforderung an und freue mich schon sehr auf die Arbeit.

Wahlen

Ein alltägliches Thema sind die Wahlen im Dezember. Es wird die Regierung+Präsident gewählt. Der aktuelle Präsident (Kibaki) stellt sich der Wiederwahl und hat mit Raila Odinga einen enstzunehmenden Gegner. Beide gehörten in ihrer politischen Karriere schon zu unterschiedlichen Parteien. Odinga ist nun der Spitzenkandidat einer Partei, die sich ODM nennt (= Orange demokratische Bewegung). Kibaki, hat sich gezwungen gesehen, schon 3 Monate vor der Wahl eine Gruppe von Parteien (ca. 10) zu vereinen (PNU = Partei von nationaler Einheit) um sein politisches Überleben zu retten … Kenianische Politiker springen auufallend oft von einer zur anderen Partei …

Ein Matatu-Fahrer hat mich letztens gefragt, ob ich die „wahre“ Bedeutung des ODM-Kürzels kenne. Als ich verneinte, meinte er „One Dangerous Man“ (= Ein gefährlicher Mann).

Man hört immer mehr Menschen über die Wahl sprechen/ diskutieren. Wenn ich die kenianische Tageszeitung lese fällt mir auf, dass im „Innenpolitik“-Teil fast nur über Personen gesprochen wird, aber nicht über die vielen Probleme des Landes (Korruption, schlechte Infrastruktrur, Nahrungsmangel, Kriminalität, etc.). Wenn man dann aber ein paar Seiten weiter aufschlägt, kann man die vielen (sehr guten) Leserbriefe lesen, in denen die Bevölkerung Luft ablässt und die richtigen Probleme auch nennt.

Übrigens, auch als Kibaki sein zusammengeschmissenes Parteikonstrukt verkündet hat, hat er noch kein einzigen Programmpunkt gennant.

Fairer Weise muss man aber auch sagen, dass Kibaki in seinen 5 Jahren Amstszeit die Wirtschaftkraft erhöhen konnte und die Grundschule (hier von Klass 1 bis 8) kostenfrei gemacht hat. Man sagt auch, dass er einfach nur schlechte und überbezahlte Minister hat, die unfähig seien, das Land zu entwickeln.

Laut einer aktuellen Umfrage (7.10.2007) stehen 45% der Kenianer hinter Odinga und nur 32% hinter Kabaki, der Rest ist für andere Kandidaten. Daran kann man klar erkennen, dass die Kenianer einen Wechsel favorisieren.

Am vergangenen Samstag (6.10.2007) habe ich eine ODM-Veranstaltung besucht, mit der Odinga seine Wahlkampagne offiziell eröffnet hat. Die Anhänger Odingas sind zu Fuß und auf Bussen durch die Stadt gerannt/ gefahren und haben „Odinga! Odinga!“ gerufen, dabei haben sie mit großen Zweigen gewedelt. Versammlungspunkt war der größte Park Nairobis, der Uhuru Park. Der Park war voller Menschen, überall wo man hinblickte, sah man nur Menschen. Erwartet wurden 500.000 Menschen, ein Tag drauf haben die Medien die Zahl der Menschen auf knapp eine Million (!!!) korrigiert. Überall aus dem Land sind die Menschen gekommen um Odingas Kampagnenbeginn zu unterstützen.

Vor ein paar Wochen haben alle Parteien ein Dokument unterschrieben, mit welchem sie friedliche Wahlen versprechen. Trotzdem wird es aber sicherlich zu Spannungen kommen. Mir wurde erzählt, dass manche Politiker Jugendliche bezahlen oder mit Alkohol bestechen damit diese für sie auf die Straße gehen. Oft kommt es dann zu Gewaltaktionen, die die Polizei nur mit Waffen zu beenden weiß. Diese scheut sich dann auch nicht scharfe Munition zu benutzen, so sind schon einige junge Menschen im Rahmen der letzten Wahlen umgekommen. Wenn es dann ernst wird, werden auch Ausgangssperren verhängt. Hier in Riruta Satellite soll es schon welche gegeben haben. Zudem werden auch Jugendliche festgenommen, obwohl sie nichts begangen haben. So soll der Bevölkerung „gezeigt“ werden, dass gegen die Kriminalität gekämpft wird.

Momentan kann man in Riruta auch einige Bagger sehen. Diese sollen besonders vor Wahlen zu sehen sein. Hier will die Regierung der Bevölkerung vormachen, dass die katastrophalen Straßen ausgebessert werden. In Wirklichkeit wühlen die Bagger aber nur die Erde auf, machen diese wieder platt, werfen ein paar Steine drauf und stehen als Regierungs-Accesoires in der Gegend rum.

Liebe Grüße aus Nairobi/ Kenia/ Afrika

Thomas, alias Tomek