Knapp ein Jahr nach dem ursprünglichen Termin, der durch ein Attentat auf den designierten Bischof verschoben werden musste, feierte die Diözese Rumbek am 25. März die Weihe ihres neuen Bischofs Christian Carlassare durch den emeritierten Erzbischof von Khartum, Gabriel Kardinal Zubeir Wako. Pater Gregor Schmidt berichtet:
Am 25. März 2022, dem Fest von Maria Verkündigung, ist Pater Christian Carlassare durch den emeritierten Kardinal von Khartum, Zubeir Wako, zum Bischof der Diözese Rumbek im Südsudan geweiht worden. Der Weiheritus begann mit dem Herabrufen des Heiligen Geistes. Das aufgeschlagene Evangelienbuch wurde auf Christians Kopf gelegt. Nach der Salbung durch den Kardinal erhielt er eine Mitra, einen Ring und einen Stab. Der Stab ist handgeschnitzt mit Holz aus seiner Heimatregion (Diözese Padua). Es war ein herzliches Fest mit über 10.000 Besuchern aus den Pfarreien. Auch die Politik war anwesend durch den Gouverneur von Lakes State und einen Repräsentanten des Präsidenten Salva Kiir. Mehrere ausländische Gäste waren gekommen, wie der Generalobere der Comboni-Missionare Tesfaye Tadesse, der italienische Provinzial Fabio Baldan und die Familie von Christian Carlassare.
Erinnerung an Attentat
Am Vortag, dem Gedenktag des Heiligen Bischof Oscar Romero aus El Salvador, legte Pater Christian seinen Treueeid ab. Er stellte dieses Versprechen, dem Evangelium treu zu sein und als Hirte dem Volk Gottes mit seiner ganzen Kraft zu dienen, bewusst unter das Erbe von Oscar Romero, der wegen seines Einsatzes für die Würde der Armen und Entrechteten ermordet wurde. Christian selbst wurde, nach seiner Ernnennung am 8. März 2021 zum neuen Bischof, in der Nacht vom 25. auf den 26. April angeschossen und wird die Narben der Schusswunden an seinen Beinen sein ganzes Leben lang tragen.
Am Tag nach seiner Weihe kehrte Christian zum ersten Mal zu dem Zimmer zurück, wo der Anschlag letztes Jahr im April stattfand. Seine Eltern und eine Gruppe von Comboni-Missionaren gingen mit ihm. Wir beteten in dem Zimmer, wo immer noch die Einschläge der Munition zu sehen sind, etwa fünfzehn an der Tür und in den Wänden. Als Christians Vater ein Gebet sprechen wollte, versagte seine Stimme, und vielen von uns standen die Tränen in den Augen. Es war ein gesegneter Moment, denn wir spürten, dass Gott Christian beschützt hatte, um das Evangelium in diesem von Gewalt gezeichneten Land zu einem Licht der Hoffnung zu machen. Genauso erinnerten wir uns an die Worte Jesu, dass der echte Hirte seine Schafe nicht verlässt, wenn es gefährlich wird, sondern sein Leben für sie hingibt.
Wir beteten in dem Zimmer,
wo immer noch die Einschläge der Munition zu sehen sind.
Rückkehr und Versöhnung
Christian sprach diesen Punkt in seiner Predigt in der Dankesmesse am 4. Fastensonntag (27. März) an. Er habe nie daran gezweifelt zurückzukehren, versicherte er den Katholiken, worauf es spontanen Beifall gab. Die andere Besonderheit der Messe am Sonntag war es, dass Christian vor 18 Jahren seine Primiz mit demselben Evangelium gehalten hatte. Es geht um die zwei Söhne des barmherzigen Vaters (Lk 15). Das ist ein Gleichnis für den Südsudan, wo unser Vater im Himmel die Brudervölker in einer Familie vereinen möchte, wo Menschen Schuld auf sich geladen haben wie der jüngere Sohn, und wo Menschen nicht vergeben wollen wie der ältere Sohn.
Christian möchte Menschen zusammenführen und Versöhnung stiften. Als Hirte der Diözese möchte er in Worten und Taten ein Beispiel für die Hingabe des Guten Hirten Jesus Christus und die absichtslose Liebe des barmherzigen Vaters geben. Der Leitvers für seinen Bischofsdienst ist aus dem Galaterbrief: „Wir sind alle eins in Christus.“ (3,28).
2005 kam Christian in den Sudan, in dem Jahr, als der südliche Teil des Landes ein Friedensabkommen mit der Regierung in Khartum schloss, welches den Weg zur Unabhängigkeit 2011 ebnete. Für zehn Jahre lebte er bei den Nuer in der Pfarrei Holy Trinity in Old Fangak, wohin ich 2012 versetzt worden bin. Für viereinhalb Jahre haben wir zusammen gelebt und gearbeitet. Es waren schöne und erfüllte Jahre. Zwischen uns ist eine Freundschaft und tiefes Vertrauen gewachsen. Christian lebt seinen Glauben und seine Berufung als Missionar mit großer Ernsthaftigkeit und Menschenliebe. Er schöpft seine Kraft aus seiner Beziehung mit Jesus Christus und richtet seine pastorale Arbeit darauf aus, dass Menschen Jesus ihr Leben schenken und IHM nachfolgen. Zu seiner Ernsthaftigkeit gehört, dass er den Tag nicht mit Nebensächlichkeiten verplempert, sondern fokussiert arbeitet, ob als Pfarrer, Ausbilder der südsudanesischen Comboni-Kandidaten oder als Generalvikar der Diözese Malakal. Gleichzeitig hat er einen gesunden Humor und einen Blick für die unfreiwillige Komik menschlichen Handelns, so dass wir viel gelacht haben in Old Fangak. Sein Humor geht aber nicht auf Kosten anderer, sondern er bringt die Gemeinschaft zum Lachen.
Papstbesuch im Juli
Der Südsudan hat sieben Diözesen. Christian ist der einzige ausländische Bischof und der zweite Comboni-Bischof, zusammen mit Matthew Remijo in Wau. Seine Berufung kommt in einer Zeit, wo die Spaltung in der Gesellschaft und in der Politik wieder zunimmt. Auch die Katholiken und die Bischöfe sind davon betroffen. Schon vor der Covid-Pandemie wollte Papst Franziskus den Südsudan besuchen, doch die lokalen Bischöfe konnten sich nicht auf eine gemeinsame unparteiische Friedensposition einigen und wollten daher den Papst nicht einladen. Die Tatsache, dass der Papst nun 2022 die Hauptstadt Juba im Juli für drei Tage besuchen wird, stimmt hoffnungsvoll. Offensichtlich sind sich die Bischöfe einig geworden. Die gesamte kirchliche und politische Situation ist aber weiterhin fragil.
Während wir in Rumbek die Bischofsweihe gefeiert haben, wurden in Juba der Flughafen und die Residenz des Oppositionsführers und Vizepräsidenten Riek Machar von Truppen des Präsidenten umstellt. Der Oppositionsführer ist praktisch in Geiselhaft und hat einen Hilferuf an die internationale Gemeinschaft gerichtet, wo er von einem Rückfall in den Bürgerkrieg warnt. An mehreren Orten im Land wurden im letzten Monat wieder Kämpfe gemeldet. Die Bischöfe haben leider noch keine gemeinsame Strategie der Versöhnung für die Gesellschaft dieses Vielvölkerstaates gefunden. Die Interessen sind zu verschieden und die Wunden zu tief.
So setze ich Hoffnung in den neuen Bischof von Rumbek, der vorher für die Nuer und jetzt für die Dinka ein Hirte ist, weil er wirklich unparteiisch die Würde, die Freiheit und das Wohlergehen von Menschen verteidigt. Unser Ordensgründer Daniel Comboni war nicht der erste Missionar im Sudan, aber er war der erste Missionar, der zurückgekehrt ist. Alle anderen vor ihm, die ihren ersten Besuch im Sudan überlebt hatten, wollten nicht mehr in jene verlorene Gegend der Welt. Möge die Rückkehr von Christian Carlassare ein Zeichen sein, dass Gottes Wirken für die Völker im Südsudan Segen und Heil bringt.
P. Gregor Schmidt