Liebe Verwandte, Freunde und Wohltäter,

mit der Geschichte „Das Fenster der Hoffnung“ will ich dieses Jahr meinen Rundbrief beginnen.

Vielleicht kennt Ihr die Geschichte. Sie erzählt von zwei schwerkranken Männern, die im Krankenhaus in einem Zimmer liegen. Während der eine dauerhaft im Bett flach liegen muss, wird der andere einmal am Tag aufgesetzt. Sein Bett steht direkt am Fenster, und so erzählt er immer dann, wenn er aufgesetzt wird, seinem Bettnachbarn, was er draußen entdeckt: Einen Park mit vielen Menschen, Kinder, die spielen und rennen, die Sonne, die scheint, den Himmel in wunderbarem Licht. Sein Bettnachbar lebt förmlich aus diesen Stunden, in denen er erzählt bekommt, was in der Welt vor dem Fenster geschieht und was ihm sein Bettnachbar so anschaulich beschreibt. In diesen Stunden weitet sich die kleine Welt des Krankenzimmers hinaus in die bunte Welt vor dem Fenster. Dann schließt er die Augen und sieht vor sich, was ihm vom Bettnachbarn beschrieben wird. Und ein wenig kommt es ihm vor, als könnte er selbst in diese andere Welt einsteigen und in ihr mitleben. Erst als der Bettnachbar entlassen wird und der zweite Mann die Krankenschwester auf diese Stunden anspricht, die ihm neuen Mut gegeben haben, die ihn haben aufleben lassen, auf die hin er täglich gelebt hat, erfährt er, dass sein Bettnachbar blind war…

Es gelingt dem Blinden, seinem Bettnachbarn Hoffnung zu geben, dem Tag Leben zu verleihen durch die eine Stunde des Ausblicks in andere Welten! Der Blinde schafft es, die Fantasie anzuregen und Bilder aufsteigen zu lassen, die die eintönige und weißgraue Welt des Krankenhauses ein wenig bunter, schöner und angenehmer machen. Dem Blinden gelingt es, positiv in die Welt zu „blicken“, das Gute zu sehen und es nicht nur für sich zur Hoffnung werden zu lassen, sondern auch für seinen Leidensgenossen. Und ich? – Wie oft nehme ich am Gegenüber nur die Fehler wahr, sehe nur das, was nicht klappt, und all das, was schlecht ist in dieser Welt?

Mit meinem kurzen Jahresrückblick möchte ich Euch von einigen Licht- und Hoffnungsblicken, die sich hier in Matany ereignet haben, erzählen.

Im Januar haben wir unser zweites Gewächshaus bekommen und hatten eine gute Tomatenernte. Mittlerweile wächst schon eine neue Generation von Tomaten heran, deren Ernte Anfang nächsten Jahres erwartet wird. Immer am 11. Februar feiern wir den Tag der Kranken. Der Tag begann mit einem frohen Gottesdienst im Freien, zu dem unser Generalvikar P. Ngole gekommen war. Dann erfolgte die Segnung der Kranken und des Krankenhauses. Nachmittags fand ein buntes Unterhaltungsprogramm statt.

Der Besuch und dreiwöchige Einsatz von Dr. Michael und seiner Frau Margareta Köllinger aus Amberg im März war der Beginn einer engen Verbundenheit und Unterstützung. Bei ihrem nächsten Einsatz im Januar 2020 soll dann eine Endoskopie-Einheit im Krankenhaus eingerichtet werden.

Im April, also über Ostern, hatten wir dieses Jahr Besuch aus der Heimat. Meine Schwester Margit Hager aus Schweindorf kam zusammen mit Marita Schwellling aus Aalen sowie dem Ehepaar Marianne und Johann Öfele aus Sontheim/Brenz. Alle vier unterstützen uns schon seit Jahren durch verschiedene Aktionen und sind uns gern gesehene Gäste. Auch Dr. Friedrich Ullrich aus Landsberg, der über SES bereits einige Male als Chirurg hier in Matany ausgeholfen hat, unterstützt uns seit Jahren mit der Beschaffung verschiedenster Geräte zur Verbesserung unseres Gesundheitsdienstes. So wurden im Mai zwei „C-Bögen“ für orthopädische Operationen erstanden. Dazu kamen zwei OP-Tische, ein Autoklav, Ersatzteile für die Sauerstoffanlage etc. Sein erneuter Einsatz begann Ende November.

Die Regenzeit hat dieses Jahr erst im Mai eingesetzt, dann aber mit guten und konstanten Regenfällen, die uns heuer eine bessere Ernte schenkten. Allerdings führte der Regen auch zu einem starken Anstieg von Malariaerkrankungen, sodass es in den staatlichen Einrichtungen zeitweise keine Medikamente gab und viele zu uns kamen. So ist unsere 250 Betten zählende Klinik seit Juni überbelegt, zeitweise hatten wir 480 stationäre Patienten. Dadurch haben sich freilich auch unsere Kosten erhöht, und wir müssen uns um mehr Einnahmen bemühen, damit wir auch den Ärmsten der Armen gerecht werden können (wie Ihr wisst, ist nur etwa die Hälfte der von uns benötigten Gelder durch staatliche Zuschüsse und andere Einnahmen gedeckt). Wir hoffen auf die finanzielle Hilfe verschiedener Organisationen, bei denen wir Unterstützung beantragt haben, auf Eure anhaltende Großherzigkeit und auf die Vorsehung, die uns bis jetzt nicht verlassen hat.

Während der Oktober-Versammlung der 32 katholischen Krankenhäuser in Uganda erhielten wir wieder unsere Bewertung. Mit 96.2% sind wir dieses Mal auf Platz 1 gelandet. Das ist Ermutigung und Bestätigung für den guten Teamgeist, der in Matany herrscht. …

Beschenkt wurden wir im vergangenen Jahr auch durch eine besondere Geste der 35-jährigen Jennifer, die 2018 im St. Kizito Hospital ihr erstes Kind zur Welt brachte, obwohl Familie, Freunde und Nachbarn ihr aus Angst vor Komplikationen zu einer Geburt in Kampala geraten hatten. Ihre Dankbarkeit für die gute medizinische Betreuung und die menschliche Behandlung durch Dr. John Bosco und sein Team drückte sie aus, indem sie im August den ersten Geburtstag ihres Sohnes mit uns feierte und den Müttern auf der Entbindungsstation Geschenke überreichte.

So dürfen wir immer wieder erleben, wie Fenster geöffnet werden, durch die uns Licht und Hoffnung aufscheinen. Manchmal sind wir diejenigen, die das Fenster für andere öffnen, manchmal sind es die anderen, die das Fenster für uns öffnen – und beides ist Segen! Mögen diese Licht- und Hoffnungsblicke aus Matany auch Euch ermutigen – und mögen wir alle beschenkt werden mit der Freude aus der Heiligen Nacht, die unsere Welt zum Himmel hin weitet!

Euch allen ein segensreiches Weihnachtsfest, und für das Neue Jahr immer wieder Lichtblicke, die Hoffnung wecken.

Euer
Bruder Günther Nährich
mit Team