Gemeint ist nicht die Wiedervereinigung Deutschlands 1990, sondern der Zusammenschluss der zwei auf Daniel Comboni zurückgehenden und nach dem 1. Weltkrieg, geteilten Kongregationen.
Wiedervereinigung: Das Wort deutet an, dass es vorher eine Trennung gegeben haben muss. Diese geschah 1923 als Folge des Ersten Weltkriegs. Was war geschehen? Die Kongregation zählte zu Be-ginn des Ersten Weltkriegs knapp 140 Mitglieder, je etwa zur Hälfte aus Italien sowie aus der Donaumonarchie und, der kleinere Teil, aus dem Deutschen Reich. Von diesen mussten die meisten Missionare ihr Missionsgebiet, die englische Kolonie Sudan, verlassen. Ihnen wurde von Rom ein anderes Arbeitsfeld zugewiesen: in Südafrika.
Neben den politischen Folgen brachte der Krieg auch emotionale Erschütterungen. Am meisten war das in Südtirol zu spüren. Während nach dem Krieg in ganz Norditalien der Sieg Italiens gefeiert wurde, waren die Deutschsprachigen, Österreicher und Deutsche, nach dem Friedensdiktat von Versailles und St. Germain tief frustriert und verbittert. Auch die Mitbrüder machten dabei keine Ausnahme. Die römische Missionsbehörde hielt es deshalb für das Beste, die Kongregation in zwei selbstständige Kongregationen zu teilen, zumal es jetzt auch in Deutschland möglich geworden war, Niederlassungen zu gründen.
Erste Kontakte
Es mussten fast 40 Jahre vergehen, bis eine neue, unbelastete Generation herangewachsen war und erste Kontakte geknüpft wurden. Mitgeholfen hat das Zweite Vatikanische Konzil in den 60er Jahren. Deutschsprachige Theologiestudenten, die in Rom studierten und dort auf italienischsprachige Mitbrüder trafen, und vor allem der Umstand, dass beide Kongregationen zur selben Zeit in Spanien Niederlassungen gründeten, trugen dazu bei. Es kam zu gegenseitigen Besuchen auf höchster Ebene. Zu den Generalkapiteln wurden „Beobachter“ der jeweils anderen Kongregation eingeladen.
Noch wichtiger war eine grundsätzliche Neuausrichtung der Missionstätigkeit der Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil. Bis in die 60er Jahre wurde fast ganz Afrika und weite Teile Asiens als „Missionsgebiete“ betrachtet, aufgeteilt unter die jeweiligen Ordensgemeinschaften, der Steyler, der Weißen Väter, der Kapuziner, der Comboni-Missionare usw. Fast alle Bischöfe waren aus diesen Orden. Es gab fast keine eigenständige Ortskirche. Nicht selten präsentierten sich die Missionare der Bevölkerung als kultureller und religiöser Arm der jeweiligen europäischen Kolonialmacht. Mit dem Ende der Kolonialzeit war es höchste Zeit, dass sich auch das änderte.
Bis ca. 1970 gingen fast alle Missionare der deutschsprachigen Kongregation entweder in die Diözese Witbank in Südafrika, wo einer der ihren, Anton Reiterer aus Südtirol, Bischof war, oder nach Peru in die Prälatur Tarma mit Bischof Anton Kühner aus Deutschland. Diese beiden Sprengel waren „unsere Missionen“. So lernten es die jungen Missionare und so empfanden es auch viele Menschen dort.
Es dauerte noch gut zehn Jahre, bis alle Hindernisse überwunden und die meisten Mitglieder beider Kongregationen überzeugt werden konnten. Im gemeinsamen Generalkapitel 1979 wurde dann die Wiedervereinigung besiegelt. Praktisch wurde eine neue Kongregation gegründet aus den Mitgliedern der beiden vorigen. Sie gaben sich auch einen neuen Namen: Statt „Söhne des Heiligsten Herzens Jesu“ (FSCJ bzw. MFSC) nennen sie sich seither „Comboni-Missionare vom Herzen Jesu“ (MCCJ). Die Mitglieder konnten sich entscheiden, ob sie sich der neuen Kongregation anschließen wollten. Fast alle taten es.
Was brachte die Wiedervereinigung?
Wurde bisher in einer durchschnittlichen Missionsstation mit deutschsprachigen Missionaren in Südafrika oder Peru beim Mittagessen selbstverständlich Deutsch gesprochen, musste spätestens, wenn ein Mitbruder aus einem anderen Sprachgebiet dabei war, die Landessprache, das heißt Englisch beziehungsweise Spanisch gesprochen werden. Für die Menschen am Ort war das Pfarrhaus nicht mehr die deutsche Mission, sondern die katholische oder, noch besser, einfach ihr Pfarrhaus. Bei gemeinsamen Versammlungen oder Fortbildungen konnte man Mitbrüder und Schwestern aus anderen Ländern kennen lernen, auch andere Sitten und Gebräuche, auch anderes Essen.
Für die Menschen am Ort präsentierte sich die Kirche nicht mehr als deutsch oder italienisch oder spanisch. Die meisten jungen Mitbrüder studieren seither Theologie und machen ihre ersten seelsorglichen Erfahrungen nicht mehr in ihrer Heimat, sondern in einer fremden Umgebung. Im Studienhaus beziehungsweise im Pfarrhaus liegen nicht mehr nur deutsche Zeitungen, Sonntagsblätter und Bücher, sondern solche aus verschiedenen Ländern. Das alles öffnet den Horizont und lässt andere Kulturen und auch andere Formen der Frömmigkeit besser verstehen. Der Horizont weitet sich. Der Comboni-Missionar darf sich jetzt nicht mehr nur in den Hausgemeinschaften seiner Heimatprovinz, sondern in vielen Niederlassungen auf der ganzen Welt daheim fühlen und ist dort als „einer der zu uns gehört“, willkommen.
Das Zusammenleben und Zusammenarbeiten mit Menschen anderer Kultur ist allerdings nicht immer leicht. Es ist auch eine Herausforderung, erst recht, wenn wie bis vor kurzem in der Ordensgemeinschaft, das europäische oder deutsche Wesen nicht mehr das dominierende ist, an das sich die andern anpassen mussten. So zum Beispiel, wenn der Bischof oder der Hausobere oder der Verwalter ein Afrikaner ist. Dazu, und wie sich die Comboni-Missionare ihre Zukunft vorstellen, wird es in der nächsten und letzten Folge dieser Reihe gehen. Zumindest soll es ein Versuch sein.
P. Reinhold Baumann