Liebe Freunde,

normalerweise schreibe ich Euch von unserer Mission in Tali (Südsudan) aus. Gewöhnlich setze ich dazu den Text auf und wähle dazu passende Bilder aus. Druck und Versendung des Briefes organisiert dann mein Bruder Johannes von Deutschland aus. Dieses Mal hingegen bin ich persönlich in Deutschland, um Euch meine Weihnachtsgrüße zukommen zu lassen. Zudem möchte ich Euch über die Situation im Südsudan im Allgemeinen und in Tali im Speziellen auf dem Laufenden halten.

Zunächst jedoch zu meiner persönlichen Situation: Mitte November fuhr ich von Tali nach Juba in die Hauptstadt, um meinen Mitbruder P. Martin nach über 6-monatiger Abwesenheit in die Mission zu begleiten. Er war in Nairobi (Kenia) aufgrund einer tropischen Wunde am rechten Fußgelenk behandelt worden. In Juba ließ ich mich dann an meinen Nieren untersuchen. Dabei wurde über Röntgenaufnahmen erschreckend festgestellt, dass meine rechte Niere funktionsstill geworden war. Eine Hiobsbotschaft nicht nur für mich! Mit dem nächstmöglichen Flug kam ich unverzüglich nach Deutschland (13. November). Vom Flughafen Frankfurt aus ging es dann direkt in die Missionsklinik nach Würzburg, wo ich noch am selben Tag in der Urologie operiert wurde. Diagnose: Rechter Harnleiter verschlossen. Der anfallende Harn konnte dadurch nicht mehr ablaufen. Er hatte sich wohl seit längerer Zeit in der Niere angestaut und sie ernsthaft beschädigt. Derzeit bin ich bei meiner Familie in Mandlau (Oberfranken) zur Genesung. Einige weitere medizinische Untersuchungen müssen noch durchgeführt werden, um die Nieren- und Harnleiterfunktion einzuschätzen. Danach wird man dann abwägen, unter welchen Bedingungen ich wieder in die Mission nach Tali zurückkehren kann. Die schlimmsten Befürchtungen wie Tumor oder operative Entfernung der Niere sind – Dank sei Gott – nicht eingetreten. Eines ist jedenfalls klar: Die Diagnose kam überraschend. Dabei lief die pastorale Arbeit in der Pfarrei besser denn je: Gebetstreffen, Festtage, Seminare, Ausbildungskurse, Chorproben, Kindertage, Frauenveranstaltungen, Katechistenschulungen, Feiern des Galubens in den Außenstationen etc.! Zuletzt waren wir gerade dabei, unser Pfarrfest „Christkönig“ (22. November) vorzubereiten. Meine Pläne wurden jedoch plötzlich durchkreuzt und es kam alles ganz anders als erwartet. Nicht umsonst heißt es so trefflich in der Bibel: „Des Menschen Herz plant seinen Weg; doch der Herr lenkt seinen Schritt“ (Sprichwörter 16,9). Im Volksmund sagt man „der Mensch denkt, doch Gott lenkt“.

Was die allgemeine soziale, politische und wirtschaftlich Lage in Südsudan betrifft, so ist trotz des unterzeichneten Friedensabkommens der rivalisierenden Parteien keine Besserung eingetreten. Überall im Land herrscht Leid, Hass, Gewalt, Hunger, Krankheit, Tod etc.! Die anhaltenden Konflikte zwischen Anhängern des Präsidenten Salva Kiir und seines Rivalen Riak Machar haben dazu geführt, dass die Landeswährung stark an Wert verloren hat. Die grundlegenden Lebensmittel sind teils um das 5-fache teurer geworden, während Löhne und Gehälter meist nicht einmal verdoppelt wurden. Deshalb leben viele Menschen in bitterer Armut. Das Geld reich hinten und vorne nicht, um eine Familie halbwegs ernähren zu können. Das Vertrauen unter den Menschen ist sehr brüchig. Viele Diebe und Räuberbanden haben sich gebildet, die das Leben in den Städten und auf den Hauptverbindungsstrecken gefährlich machen. Selbst von Tali nach Juba kann derzeit nur eine Straße benutzt werden, die aber bei Regenfällen unpassierbar wird. Die anderen Strecken, die wir normalerweise während der Regenzeit benutzen, um aus Tali herauszukommen, sind alle unsicher geworden. Entweder wird man von Räubern überfallen oder die Regierung verbietet das Passieren von Fahrzeugen, weil unbekannte Rebellengruppen sich im Busch verstecken und jederzeit angreifen können.

Trotz dieser schwierigen Bedingungen können wir in Tali doch auf ein einigermaßen erfolgreiches Jahr zurückblicken. Selbst wenn oftmals unweit von unserem Gebiet Krieg geführt wurde, so war es in Tali zumindest in den letzten Monaten relativ friedlich. Die Kinder waren froh, dass unsere Missionsschule trotz der landesweiten Probleme im Erziehungswesen das Jahr erfolgreich zu Ende führen konnte. Es ist uns sogar gelungen, ein Schulgebäude bestehend aus vier Klassenzimmern und Büroräumen fertig zu stellen. Im kommenden Jahr versuchen wir, den zweiten Schulblock zu konstruieren. Damit kann vermieden werden, dass die Schulkinder unter Strohdächern unterrichtet werden, die bei Wind und Regen kaum Schutz und Sicherheit bieten.

Klimatisch gesehen war 2015 ein außergewöhnlich trockenes Jahr. Es hat während der sonst regenstarken Monate kaum Niederschläge gegeben. Die Ernte ist deshalb ziemlich mager ausgefallen. Hungersnöte kündigten sich an. In Tali hat es gerade so viel geregnet, dass die zum Überleben wichtigen Produkte wie Erdnüsse und Hirse heranreifen konnten. Dabei war interessant zu beobachten, dass gerade an Festtagen, an denen wir außerordentliche Gebetstreffen in der Pfarrei veranstaltet haben, der Regen fast nie ausblieb. Regen ist ein Segen! Gott hat die Gebete der Menschen in ihrer Notsituation erhört. Das hat dazu geführt, dass einige sich von den traditionellen Überzeugungen abgewandt haben und den Galuben an Jesus Christus vertieft erlebt haben. Persönlich hat mich besonders gefreut, das ein früherer Katechist der Pfarrei aus seinem christlichen Glauben heraus darauf verzichtet hat, die Ermordung seines Neffen zu rächen. Eigentlich wäre es nämlich Pflicht der Familie des Opfers, im Sinne von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ein Mitglied der Familie des Täters zu töten. Der Ex-Katechist hat aber seine Brüder überredet, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, indem sie der Täterfamilie ihr Verbrechen vergeben haben. In solchen Momenten freut man sich als Missionar in besonderer Weise, da man darin bestätigt wird, dass das Aussäen des Wortes Gottes hier und da tatsächlich auf fruchtbaren Boden fällt.

Zum Schluss bedanke ich mich bei Euch allen für die materielle und spirituelle Unterstützung. Euer Gebet und Eure Spenden ermöglichen es, dass es neben all den schwierigen Momenten, die der Südsudan derzeit durchlebt, auch kleine Erfolgsgeschichten zu berichten gibt.

Frohe Weihnachten und ein Gesegnetes Neues Jahr!

Euer P. Markus Körber